Zehn Jahre "24 Stunden"
Die lange Nacht der Reportage in Sat.1
In
der Nacht von Montag auf Dienstag, 6./7. Januar 2003 ab 0.10 Uhr
Berlin (ots)
Auf den Tag genau vor zehn Jahren startete Sat.1 am 6. Januar 1993 um 23.00 Uhr eine neue Reportagereihe. Titel: 24 Stunden. Das Konzept: Ein bis drei Kamerateams beobachten über einen kurzen, überschaubaren Zeitraum Menschen in teils außergewöhnlichen, teils alltäglichen Situationen. Chronologisch erzählt sollten die Geschichten sein, ganz nah dran an den Protagonisten. Das Ganze ohne Moderation, mit sparsamem Off-Text und wenigen Interviews. Ein Vorläufer der Dokusoap sozusagen. Oder ganz einfach ausgedrückt: die klassische Reportage.
Mit über 400 Folgen hat "24 Stunden" in der sich rasch wandelnden TV-Landschaft nicht nur überlebt, sondern sich erfolgreich behauptet. Dafür sprechen unter anderem die Auszeichnungen mit dem Springer-Nachwuchspreis (1993) und dem Deutschen Fernsehpreis (1999). Insbesondere bei jüngeren Zuschauern kommt die Sat.1-Reportagereihe an. Der durchschnittliche Marktanteil der 14 - 49-Jährigen liegt in diesem Jahr bei 13,3 % (bei den 14 - 29-Jährigen bei 14,0 %). Die sechsteilige Reportagereihe über zwei Bochumer Streifenpolizisten namens Toto und Harry, ausgestrahlt im vergangenen Herbst, erreichte sogar Spitzenmarktanteile von bis zu 22 Prozent. Früher wurden die Reportagen zumeist von Firmen wie der Holtzbrinck-Tochter AVE hergestellt, heute werden sie zum überwiegenden Teil direkt von Sat.1 produziert.
"24 Stunden", ausgestrahlt im Anschluss an die "Spiegel TV"-Reportage, setzt schon seit Jahren auf Themen, die nicht unbedingt spektakulär sind, aber gern ein wenig skurril sein dürfen. "24 Stunden" zeigt den Alltag von Müllmännern, Kontrolleuren, Lkw-Fahrern, Bestattern und Mitarbeitern der Suppenküche, begleitet den ersten Tag eines jungen Rekruten beim Bund, schaut beim Schlachtfest auf dem Bauernhof zu und verlebt einen Tag mit den Bewohnern eines Plattenbaus. Natürlich haben auch gewichtige Themen ihren Platz in der Reportagereihe - "Amerikas geheime Biowaffen" beispielsweise, die "Flut und ihre Opfer" oder ein Porträt über "Edmund Stoiber im Wahlkampf". Die Redaktion von "24 Stunden" will vor allem eins: zu mitternächtlicher Stunde informativ, wahrhaftig, unaufgeregt und mit einem kleinen Augenzwinkern unterhalten.
Das scheint bis jetzt ganz gut gelungen zu sein. Und deshalb präsentiert Sat.1 zum "Zehnjährigen" die "lange Nacht der Reportagen" mit Beiträgen aus den vergangenen zehn Jahren. Bis zum frühen Morgen.
00.10 Uhr:
Die Hitfabrik - Modern Talking hautnah (1999)
So dicht hatte Modern Talking bis dato noch kein Fernsehteam an sich herangelassen. Kurz vor dem Auftakt zu ihrer ausverkauften Deutschland-Tournee 1999 erlebte Sat.1-Reporter Ralf Hermersdorfer Deutschlands erfolgreichstes Pop-Duo hautnah und backstage: beim Dreh des Video-Clips für die Single "Sexy, sexy Lover" in Miami, bei der Verleihung des "World Music Awards" in Monte Carlo, während des Fluges im Privat-Jet zum TV-Auftritt in Paris und nicht zuletzt vor und nach ihrer triumphalen Tournee-Premiere in der Berliner Waldbühne. "24 Stunden" begleitete Dieter Bohlen und Thomas Anders während der Show-Proben, in ihrer Garderobe und beim Dämmerschoppen im Hotelzimmer. Zu jener Zeit immer an Bohlens Seite: Freundin Naddel - auch das ein Grund, zurückzublicken. Da war doch was...
00.40 Uhr:
Glücksrad privat (1993)
Die siebte "24 Stunden"-Folge (Erstausstrahlung: 3. März 1993) war für die Macher der Reportagereihe so etwas wie eine Weichenstellung. Nach schwergewichtigen Themen wie die "Drogenhölle von Bremen", das "Elend von Somalia" oder das "Asyldrama an der Ostgrenze" ließen sie es erstmals leicht angehen. Kurt Lotz, inzwischen Moderator des Frühstücksfernsehens und des Sat.1-Automagazins, sowie sein Kollege Wolfgang Stoltz, nunmehr Leiter von "24 Stunden", durften als einzige einen Blick hinter die Buchstabenwand der erfolgreichsten Gameshow werfen. "Glücksrad privat" mit Highlights wie dem Ausflug von Moderator Peter Bond ins Dampfbad, einem Hausbesuch bei Buchstabenfee Maren Gilzer oder der Anreise eingefleischter Glücksrad-Fans ins Berliner Fernsehstudio bescherte den Reportern prima Quoten und die Erkenntnis: Nichts ist so spannend - oder auch so komisch - wie der Alltag.
01.10 Uhr:
Knast brutal (1994)
Stacheldraht, Kasernenhof-Drill und Psychoterror - Amerikas Wunderwaffe im Kampf gegen Kriminalität und Drogen heißt Boot Camp. Fast 10.000 Häftlinge in diesen Lagern bekommen zu spüren, dass es in Amerika vorbei ist mit der weichen Welle im Strafvollzug. Eines der berüchtigsten Lager ist "Stone Mountain" bei Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Schikane, Exerzieren und Knochenarbeit von fünf Uhr früh bis nachts um zehn.
Angela und Stephan Strothe haben eine Gruppe neuer Häftlinge an ihrem ersten Tag begleitet - Ersttäter im Alter zwischen 17 und 30, für die in den überfüllten Gefängnissen Atlantas kein Platz ist. Bereits am Tor beginnt die "Schocktherapie": Ausbilder, die ihr Handwerk bei den Elitetruppen der Marines gelernt haben, machen die Häftlinge physisch und psychisch fertig. "Wir müssen sie erst brechen, dann bauen wir sie langsam wieder auf", sagt einer der Aufseher.
01.40 Uhr:
Brautschau in Fernost - Wie Herr H. seine Frau fand (1993/2000)
Eigentlich kann so etwas gar nicht gut gehen: Da fliegt der Vorarbeiter einer Möbelfabrik aus Bünde/Westfalen auf die Philippinen, um sich eine Frau zu suchen. 3500 DM hat der 34-jährige Ludwig H. einer deutschen Ehepartner-Vermittlung bezahlt, damit die ihm am anderen Ende der Welt heiratswillige Damen präsentiert. Fast zehn Jahre ist es her, dass Sat.1-Reporter Wolfgang Stoltz die skurrile Brautschau in Fernost begleitet hat. Was ist aus Ludwig H. und Shirley geworden, die sich damals vor laufender Kamera kennen lernten? "24 Stunden" zeigt die hanebüchenen Höhepunkte der Damenwahl des Herrn H. auf den Philippinen: Vom ersten Rendezvous samt all seiner Missverständnisse bis hin zum Streit ums Geld mit der Partner-Vermittlung. Ein Sittengemälde mit unerwartetem Happy-End: Denn Ludwig H. und seine Shirley haben geheiratet, zwei Kinder bekommen und leben heute in Bünde/Westfalen. "24 Stunden" hat die beiden besucht. Sind sie wirklich glücklich geworden?
03.10 Uhr:
Endstation Wien - Die Leichen aus der Sensengasse (1998)
Die Jury des Deutschen Fernsehpreises kürte 1999 diese Reportage zur besten des Jahres.
Eine männliche Leiche ist in das Gerichtsmedizinische Institut in der Wiener Sensengasse überführt worden. Polizei und Staatsanwaltschaft wollen erfahren, wann und wie der Mann starb. Professor Christian Reiter macht sich mit Skalpell und Pinzette ans Werk. Er gilt weltweit als Koryphäe: Seit 20 Jahren forscht er nach lebendigen Spuren im Körper von Toten - nach Maden. Art und Alter geben ihm Aufschluss über den exakten Todeszeitpunkt, möglicherweise auch über die Todesumstände. Zum ersten Mal durfte Reporter Volker Wild dem Erfinder dieser Methode über die Schulter schauen und ihn auch privat porträtieren, als Bienenzüchter und Kenner der Gruften auf dem berühmten Wiener Zentralfriedhof. Dort hat auch Oberamtsrat Müller zu tun. Der ist Ausbildungsleiter der Bestattungsbehörde und lehrt seine Kollegen, was Pietät bedeutet. Die preisgekrönte Reportage begleitet parallel zu Professor Reiter jene drei schweigsamen Männer, die täglich die Toten abholen.
03.35 Uhr:
Im Camp der Schutzengel (2000)
In der härtesten Bodyguard-Schule der Welt geht es heftig zur Sache: 8000 Mark muss zahlen, wer sich in einem israelischen Trainingscamp unweit von Tel Aviv zwei Wochen lang drillen lassen will. 16 Stunden täglich wird bis zur Erschöpfung trainiert: Schießen, Nahkampf, Marathon. Wer durchhält, hat beste Chancen, im Bodyguard-Business viel Geld zu verdienen. Sat.1-Nahost-Korrespondentin Katrin Sandmann hat zwei deutsche Teilnehmer während ihrer Tortur im Camp der Schutzengel beobachtet.
04.05 Uhr:
Vorsicht, Überfall! Mit dem Lkw nach Moskau (2000)
Bei Fernfahrern ist die Transitstrecke nach Moskau berüchtigt. Die Straße schlecht, die Launen von Zoll- und Polizeibeamten unberechenbar - und dann noch die ständige Angst, überfallen zu werden. Nur wenige deutsche Truck-Kapitäne fahren diese abenteuerliche Strecke nach Osten regelmäßig. Einer von ihnen: Siggi Pankowski, ihn kann so leicht nichts mehr aus der Ruhe bringen: weder die dreisten Prostituierten am Straßenstrich, noch die Lethargie russischer Lagerarbeiter. Für Zwischenfälle aller Art hat Pankowski sich mit deutscher Tauschware eingedeckt: Modezeitungen, Bier, Zigaretten. Eine Waffe hat der Profi-Fernfahrer nicht auf dem Bock, bislang ist er immer unversehrt durchgekommen, doch ein Abenteuer ist der Trip gen Osten immer. "24 Stunden"-Reporter haben Siggi Pankowski auf einer Fahrt nach Moskau begleitet.
04.35 Uhr:
Endstation Loveparade - Drehkreuz Bahnhof Zoo (2001)
Am Berliner Bahnhof Zoo herrscht regelmäßig zur Loveparade der Ausnahmezustand. Hunderttausende von Ravern wollen sich von hier aus ins Getümmel stürzen. Sie müssen morgens aus ihren Sonderzügen geschleust und abends wieder zurückgeleitet werden. Großeinsatz für den Bundesgrenzschutz, dessen Beamte mit Sonderschichten für die Sicherheit am Bahnhof Zoo sorgen sollen. Mit vier Kamerateams beobachtete "24 Stunden" im Sommer 2001 das Treiben am Drehkreuz zur Loveparade - vor, während und vor allem nach der Riesenparty. Reporter begleiteten BGS-Beamte an den Bahnsteigen und in den Eingangs-Katakomben des Bahnhofs Zoo, mischten sich unters Ravervolk beim Einkauf im Supermarkt und beim Anstehen in der gegenüber liegenden McDonald's-Filiale. Eine Reportage über Raver und Ordner, Spaß und Chaos am Rande der größten Party der Welt - der Loveparade.
05.05 Uhr:
Klassenarbeit - Auf der Jagd nach Schulschwänzern (2000)
Morgens acht Uhr: Unterrichtsbeginn für die Klasse 7 b. Wieder mal ist kaum ein Schüler da. "24 Stunden"-Reporterin Annette Asbeck hat den ganz normalen Alltag an einer Berliner Hauptschule beobachtet und anschließend Polizisten auf der Jagd nach Schulschwänzern begleitet. In Nürnberg greifen die Behörden schon seit langem hart durch: Notorische Schulschwänzer werden von Polizeibeamten zu Hause abgeholt. Fast schon Dauerkunden sind Nicole und Julia. Bis morgens um sechs feiern und trinken ist den beiden Teenagern allemal wichtiger als "das Gelaber von den Lehrern". Nicoles Mutter weiß sich nicht zu helfen: "Ich kann sie ja nicht an die Hand nehmen, zur Schule bringen, die Pause überwachen und am Mittag wieder abholen." Die Nürnberger Polizisten können es. Die Beamten kontrollieren auch Jugendliche, die sie während der Unterrichtszeit auf Straßen, in U-Bahnhöfen oder Kaufhäusern antreffen. Ausreden werden sofort überprüft. Wer beim Lügen erwischt wird, muss mit auf die Wache.
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Helga Hörnle
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