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Herzfeind Fußball - Kardiologen raten Ihren Patienten: Vor dem Anpfiff ans Nitrospray denken

Hohenlockstedt (ots)

Diese Spiele sind der absolute Fußball-Hammer: Im Champions-League-Halbfinale (Hinspiele 23./24.4., Rückspiele 30.4./1.5.) trifft der FC Bayern auf den FC Barcelona. Und Borussia Dortmund wartet auf Real Madrid. Sehen wir wohlmöglich ein deutsches Finale (25.5.)? Fest steht: Es werden vier extrem spannende Partien. Doch dramatische Spiele haben auch ihre Schattenseiten. Das zeigt die Erfahrung mit der WM 2006: Während der Einsätze der DFB-Elf mussten dreimal so viele Patienten wegen Herzproblemen behandelt werden! Mit Glyceroltrinitrat steht jedoch ein Wirkstoff zur Verfügung, der solche Attacken frühzeitig beenden kann und vorgeschädigte Herzen in Stresssituationen schützt. Auch Kardiologen sind sich einig: Jeder Patient mit verengten Herzkranzgefäßen sollte ein sogenanntes Nitrospray für den Notfall bereithalten.

Berlin, 30. Juni 2006: Deutschland gewinnt vor 72.000 Zuschauern im Olympiastadion das WM-Viertelfinale gegen Argentinien mit 5:3 nach Elfmeterschießen. Es ist eines der spannendsten Spiele in der deutschen WM-Geschichte. Für viele Zuschauer vor den Fernsehern war die Aufregung sogar so groß, dass sie mit schweren Herzproblemen beim Notarzt landeten. Das haben Mediziner um PD Dr. med. Ute Wilbert-Lampen von der Universitätsklinik München festgestellt.

Rhythmusstörungen und Herz-Kreislauf-Beschwerden: Wie Fußballspiele das Herz aus dem Takt bringen

Für ihre Studie(1) haben die Wissenschaftler Protokolle von 4279 Patienten während der Fußball-WM 2006 ausgewertet und mit Daten aus den Jahren 2003 und 2005 verglichen. Dabei wurden nur deutsche Patienten erfasst, die wegen eines kardiologischen Notfalls den Notarzt gerufen hatten und in eine Klinik eingewiesen wurden. Insgesamt wurden 24 Notarztstandorte analysiert. Ihr Fazit: Wenn Deutschland spielte, erhöhte sich die Zahl der eingelieferten Patienten mit Herzinfarkt oder Rhythmusstörungen bis zum 2,7-Fachen gegenüber den fußball-freien Vorjahren.

Die meisten Herzinfarkte traten laut Auswertung beim Viertelfinale gegen Argentinien auf. Die Daten zeigen in beeindruckender Weise, dass "ein wichtiges Fußballspiel [...] akute Herzrhythmusstörungen auslösen kann", berichteten Dr. Wilbert-Lampen und ihre Kollegen im Fachmagazin New England Journal of Medicine. Durch den Stress wird das Nervensystem so stark angekurbelt, dass der Blutdruck und die Herzfrequenz schlagartig steigen - Herz-Kreislauf-Beschwerden und Herzinfarkte sind die Folge. Die viel diskutierte Rolle von emotionalem Stress als Auslöser von Herzinfarkten sei mit dieser Untersuchung nun statistisch belegt, so die Forscher.

Allerdings glauben die Forscher nicht, dass ein gesunder Mensch allein durch die Aufregung eines Fußballspiels einen Infarkt bekommen kann. Risikofaktoren wie Rauchen, fehlende Bewegung, Überwicht und das Alter tragen entscheidend dazu bei, dass der emotionale Stress während eines Spiels Herz-Kreislauf-Beschwerden auslösen. Vor wichtigen Spielen empfehlen die Münchner Wissenschaftler daher vor allem Menschen mit vorbelasteten Herzen entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Stressfaktor Fußball: So schützen Sie Ihr Herz bei spannenden Spielen

Jeder Patient mit verengten Herzkranzgefäßen sollte ein sogenanntes Nitrospray für den Notfall bereithalten. Spürt der Patient während des Spiels aufkommende Angina-Pectoris-Schmerzen in der Brust, empfiehlt sie, zwei Hübe in den Mund zu sprühen. Der Wirkstoff Glyceroltrinitrat entspannt die glatte Muskulatur der Blutgefäße und sorgt für deren Erweiterung: Das entlastet auf der einen Seite das Herz, weil der Blutdruck sinkt. Auf der anderen Seite kann durch die erweiterten Gefäße mehr Blut fließen und der Sauerstoffmangel im Herzmuskel wird vermindert. Folge: Die Angina-pectoris-Symptome verschwinden innerhalb weniger Minuten. Danach sollte man aber sofort zum Arzt und nicht erst den Schlusspfiff der Partie abwarten. 90 Minuten Spielzeit sind bei einem Infarkt eine Ewigkeit, weil mit jeder Minute mehr Muskelmasse am Herzen abstirbt. Je länger es dauert, bis das Gefäß wieder durchblutet wird, desto schlechter die Prognose.

(1) Ute Wilbert-Lampen, et al.: Cardiovascular Events during World Cup Soccer; N Engl J Med 2008; 358: 475-483

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