Entwicklung zum Anfassen: Fingerspitzengefühl fürs "Audi Feeling"
Ingolstadt (ots)
- Das Haptik-Team beurteilt die Bedienkonzepte neuer Modelle - Subjektive Eindrücke objektiv bewerten - Entlastung des Fahrers als oberstes Ziel
Gerhard Mauter ist sozusagen ein Ingenieur zum Anfassen. Dabei ist dies nur eine sehr oberflächliche Beschreibung seiner Tätigkeit bei der AUDI AG in Ingolstadt: Er leitet das "Team für Betätigungshaptik", der Einfachheit halber nur Haptik-Team genannt. Haptik, das ist die Lehre vom Tastsinn. Doch es geht um weit mehr, als nur um die Tatsache, dass sich ein Audi gut anfühlen muss. Es geht um Ergonomie und Bedienlogik, um Leichtgängigkeit und Anmutung, ums Tasten, Ziehen, Drücken, Schieben, Drehen, Fühlen und Berühren im Auto.
Die Frage, wie man zu so einem Job kommt, beantwortet Gerhard Mauter so: "Wichtig ist, dass man Haptik ernst nimmt. Darüber hinaus ist ein bestimmtes Maß an Sensibilität erforderlich. Eine Sensibilität, die allerdings weniger von physischen Eigenschaften - etwa der Fingerkuppen - ausgeht. Das ist vielmehr ein Bewusstseinsprozess, es findet im Kopf statt." Seit über zwei Jahren leitet Mauter das Haptik-Team, das in dieser Form 1995 vom heutigen Vorstandsvorsitzenden und damaligen Vorstand Technische Entwicklung der AUDI AG, Dr. Franz-Josef Paefgen, ins Leben gerufen wurde. Das Thema Haptik wird also bei Audi sehr ernst genommen.
Dr. Peter Tropschuh, Leiter Fahrzeugkonzepte bei Audi, erläutert: "Die Haptik eines Fahrzeugs ist von immenser Bedeutung. Die haptischen Eindrücke beeinflussen die Kaufentscheidung des Kunden in hohem Maße. Er muss sich, wenn er sich in einen Audi setzt, sofort wohlfühlen. Um das für alle unsere Modelle zu gewährleisten, wurde das Haptik-Team gegründet."
Oberstes Ziel der sensiblen Arbeitsgruppe: Realisierung eines haptischen Gesamtkonzeptes für ein Fahrzeug. Dabei wird das Team bereits frühzeitig in die Entwicklung eines neuen Audi Modells eingebunden. Das Haptik-Team beurteilt alle Bedienelemente außerhalb und innerhalb des Fahrzeugs während des Entwicklungsprozesses. Damit reicht das Spektrum von den Türgriffen außen über das Zündschloss, die Schaltung oder den Lenkstockhebel bis hin zu den elektrischen Schaltern. Sogar die haptischen Eigenschaften der Pedalerie wurden vom Team schon untersucht. "Wir beurteilen und sprechen dann Empfehlungen aus, die von den Entwicklungsabteilungen technisch oder gestalterisch umgesetzt werden", sagt Mauter.
Alle zwei Wochen treffen sich die Teammitglieder und erörtern neue Projekte. "Teilweise fangen wir mit Bildern und Skizzen an und nehmen erste haptische Bewertungen vor. Für gewöhnlich aber stellt ein Entwickler ein Bauteil vor und wir diskutieren darüber und bewerten es anschließend nach vereinbarten Kriterien", so Barbara Hondyk, derzeit einzige Frau im Haptik-Team und "hauptamtlich" für Audi im Produktmarketing Ausstattung tätig.
Zum "harten Kern" des Haptik-Teams gehören derzeit 16 Mitglieder, ein bunter Haufen aus Bereichen wie Bauteile-Entwicklung, Controlling, Qualitäts-sicherung, Design oder Marketing. Die hauptberufliche Bandbreite der nebenberuflichen Haptiker soll möglichst groß sein, um so einen repräsentativen Querschnitt der Kunden darstellen zu können.
Doch das ist nicht alles: Das Haptik-Team organisiert pro Jahr mehrere Veranstaltungen, um ein Feedback der Kunden zu erhalten. So werden beispielsweise umfangreiche Fragebögen an Audi Werkangehörige verteilt, wenn sie ihren Neuwagen in Empfang nehmen. Da diese Testpersonen aber nur die Audi Modellpalette bewerten, veranstaltet das Haptik-Team auch Benchmark-Tests, bei denen die Audi Produkte mit denen der Wettbewerber verglichen werden. In diesem Zusammenhang werden auch Vergleichstests von neutralen Instituten mit externen Probanden durchgeführt. Die Auswertungen aus solchen Tests fließen ebenfalls in die Entwicklungen mit ein.
Dennoch weiß Mauter: "Allen Kunden wird man es nicht Recht machen können. Es geht darum, die Kundenzufriedenheit zu maximieren. Wenn wir 80 Prozent erreichen, ist das schon ein sehr gutes haptisches Konzept." Doch solche Werte zu erzielen, ist nicht einfach. Gerhard Mauter: "Man kann Haptik schlecht in Zahlen und Einheiten ausdrücken. Eine haptische Beurteilung ist eine sehr subjektive Angelegenheit, die wir objektivieren und generalisieren müssen."
Mittlerweile haben die Haptik-Experten bei Audi ein Lastenheft erarbeitet, an das sich nicht nur die eigenen Entwickler, sondern auch die der Zulieferer zu halten haben. Audi Bedienteile werden nach folgenden Kriterien bemessen: Leichtgängigkeit, mittlere Betätigungswege, definierte Endanschläge, exakte Führungen, Geräuscharmut und die eindeutige Rückmeldung am Schaltpunkt - vor allem taktil, aber auch akustisch. "Der Kunde will eine klare Rückmeldung bei Einleitung der Funktion haben. Bei einer Taste etwa, die er drückt, ist die Form des Kraftanstieges wichtig. Zur haptischen Rückmeldung gehört auch ein akustisches Feedback, beispielsweise durch ein deutlich vernehmbares Klicken. Die genau richtig dosierte Kombination von beidem gibt dem Kunden die Gewissheit, dass die Funktion auch tatsächlich ausgelöst wurde", so Team-mitglied Torsten Kolkhorst, tätig in der Lenkrad-Konstruktion.
Klaus Nonnenbroich, Entwickler im Bereich Cockpit, Struktur und Oberflächen, ergänzt: "Ein mickriger Kunststoffschalter, der hinter einer großflächigen und stabilen Oberfläche steckt, enttäuscht. Das ist Etikettenschwindel. Ähnlich verhält es sich bei Oberflächen. Sieht ein Oberflächenmaterial wie Aluminium aus, dann muss es auch Aluminium sein."
Testet nun ein Teammitglied ein Bauteil, muss es einen Fragebogen ausfüllen, in dem Material, Form, Lage und Betätigungsgefühl des Bauteils bewertet werden. Gefragt wird etwa: Wie empfinden Sie das Material, die Verarbeitungsgüte oder die Form? Oder: Wie beurteilen Sie die Auffindbarkeit oder die Erreichbarkeit?
Vor allem geht es um Betätigungskraft, -ablauf, -bewegung, -richtung oder -geräusch. Eine besonders wichtige Fragestellung ist auch: Erklärt sich die Bedienung aus der Form des Bedienelements? Das beschreibt Gerhard Mauter als "Bedienlogik" oder "Blindbedienung".
"Wir wollen den Fahrer entlasten. Je weniger er bei der Bedienung der Funktionen im Fahrzeug abgelenkt wird, desto besser", so Mauter. Außerdem müssen bei neuen Bedienkonzepten die Erwartungshaltungen der Kunden berücksichtigt werden. Die ergeben sich aus gelernten Abläufen, also abgespeicherten Handlungsmodellen. Und so nimmt man bei der haptischen Bewertung auch psychologische Unterstützung in Anspruch. Ein Bedienvorgang ist eine sehr komplexe Angelegenheit, die man genau analysieren muss.
Der Teamchef erklärt: "Betätigungshaptik wird (mit Einschränkungen) nur unbewusst wahrgenommen. Man könnte es also auf den Nenner bringen: Wenn der Kunde nichts merkt und sich im Auto wohlfühlt, haben wir unseren Job gut gemacht." Und Teammitglied Frank Knauber, im Controlling zuständig für Tür- und Seitenverkleidungen, fügt an: "Wenn der Kunde jeden Schalter, jeden Hebel in einem Audi am richtigen Platz findet, und wenn die Schalter so reagieren, wie die Kunden es intuitiv erwarten, dann dürfen wir uns freuen."
Die Frage, ob es unterschiedliche Vorlieben einzelner Kundengruppen gibt, lässt sich mit den vorliegenden Analysen noch nicht beantworten. Dennoch ist der Leiter des Haptik-Teams zum Beispiel überzeugt davon, "dass Frauen haptisch stärker differenzieren als Männer". Auch gibt es kulturelle Unterschiede. "In einigen Märkten sind die Kunden sicherlich fehlertoleranter, als zum Beispiel hier in Deutschland", sagt Gerhard Mauter.
Letztlich geht es für Mauter und sein Team um eine homogene Haptik bei allen Bedienelementen eines Audi Modells, um ein ganzheitliches Gesamtkonzept, um das "Audi Feeling". Ein Gefühl, das dem Fahrer Komfort und Wohlbefinden vermittelt. Bei einem Audi Modell, das Hochwertigkeit für sich beansprucht, muss alles aus einem Guss sein: die Form der Türgriffe, der Ton des Türenschließens, das Rad für die Lehnenverstellung, der Blinkerhebel oder die Oberflächenbeschaffenheit des Schaltknaufs.
Gleichwohl lässt sich das Audi Feeling nicht so einfach spezifizieren, denn bei der Betrachtung der Gesamtheit der Bedienelemente muss sehr stark differenziert werden. So kann man die Betätigungskräfte eines Türgriffs nicht mit denen eines Blinkerhebels vergleichen. "Das liegt zum einen an der Technik und der Physik, zum anderen auch an der unterschiedlichen Erwartungshaltung des Kunden in Bezug auf das entsprechende Bedienelement", so Teamhaptiker Ulrich Weiß, der bei Audi im Interieur-Design tätig ist.
Die haptische Differenzierung der einzelnen Audi Modellreihen ist noch diffiziler zu betrachten. Mauter: "Natürlich wird ein Audi TT haptisch etwas härter ausgelegt, um den sportlichen Charakter des Fahrzeugs zu unterstreichen. Auch unsere Limousinen unterscheiden sich haptisch voneinander. Das heißt natürlich nicht, dass wir einen Audi A3 schlechter gestalten als einen Audi A8." Die Differenzierung ergibt sich fast automatisch aus unterschiedlichen Einzel- und Entwicklungskosten. So kann für ein Fahrzeug des D-Segments, also den A8, ein größerer Haptik-Aufwand betrieben werden. Darüber hinaus findet man in diesem Segment mehr elektrisch unterstützte Serien- oder Sonderaus-stattungen und somit selbstverständlich auch eine edlere Haptik.
Hinweis an die Redaktion:
Das Foto eines Haptik-Tests im Cockpit eines Audi TT Roadster steht über obs (dpa) zur Verfügung.
Text und Fotos sind zudem abrufbar über http://www.audi-press.com unter "Themen, Features, Stories". Bis zum 30. Dezember 2001 lautet der temporäre Benutzername: aupr0152 und das Passwort: lsi351 für den Zugang zur Pressedatenbank. Vom 31. Dezember 2001 bis 6. Januar 2002 lautet der Benutzername: aupr0153 und das Passwort: bki032.
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