Wer nichts hören will, muss testen - Knister-Knaster-Team bei Audi spürt Geräusche auf
Ingolstadt (ots)
* In unzähligen Versuchen werden Geräusche "herausgefahren" * Testfahrten bei minus und plus 40 Grad im Kofferraum
Klappern gehört zum Handwerk - das ist bekannt. Und dies gilt in gewisser Weise auch für Eckhard Peithmann. Der Leiter des Knister-Knaster-Teams bei der AUDI AG und seine "Zuhörer" sind allen erdenklichen Geräuschen in neuen Fahrzeuggenerationen auf der Spur. Während der Entwicklung eines neuen Audi Modells wird in unzähligen Tests, bei Erprobungsfahrten und auf Prüfständen regelrecht "herausgefahren", wo es knistert und knastert.
Bei Audi nennen ihn einige schlicht "das Ohr". Peithmann selbst nimmt diesen Spitznamen mit einem Schmunzeln: "Es gehört nicht nur ein sensibles Gehör zu diesem Job, sondern auch sehr viel Geduld. Bestimmte Geräusche hört man erst nach dem x-ten Versuch." Und manche hört man nicht nur, man fühlt sie auch. Nach diesen Kriterien sucht Peithmann seine Teammitglieder aus. Es setzt sich aus Entwicklungsingenieuren, Mitarbeitern der Qualitätssicherung, der Produktion und der Kundenbetreuung zusammen. Peithmann: "Das lernt man nicht in der Schule oder in irgendeiner Ausbildung. Gerade dieses Geduldspiel ist nicht jedermanns Sache."
Seine Sache ist es seit nunmehr gut 20 Jahren. Der 48-jährige liebt Blues und hasst klappernde Handschuhfächer, quietschende Sitzgestelle oder knarzende Kunststoffteile. Das eigentliche Problem ist es aber nicht, die unüberhörbaren Geräusche abzustellen, sondern die, die erst bei bestimmten Fahrbahnbeschaffenheiten, ab gewissen Temperaturen, Geschwindigkeiten oder Kilometerlaufleistungen auftreten und den Kunden auf die Nerven gehen könnten.
All diese Geräuschquellen aufzuspüren, ist eine äußerst aufwändige und zeitintensive Arbeit. Die Geräuschanalyse für ein Audi Modell dauert gut ein Jahr. Alle vier bis sechs Wochen gehen die Mitglieder des Knister-Knaster-Teams auf Erprobungsfahrten - bei klirrender Kälte auf Teststrecken in Skandinavien genauso wie auf Wüstenpisten in Nordafrika. Je nach Aufwand dauert jede dieser Erprobungsfahrten sechs bis zwölf Tage. Dazwischen wird auf Rollen- und Rüttelprüfständen, in Klimakammern, mit Kunstkopf-Mikrofonen oder einer Hydropulsanlage in Ingolstadt geräuschgetestet.
Warum die Audi Akustiker zum Beispiel am Polarkreis auf Geräuschejagd gehen, erläutert Carsten Vortanz, Leiter Design Check und Abwicklung Erprobungsfahrten, sowie Mitglied im Knister-Knaster-Steuerkreis: "Im Winter herrschen dort Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius. Bei diesem Klima verringern Kunststoffe ihre Elastizität, weisen andere Reibwerte auf und werden damit geräuschanfälliger."
Vor allem bewegliche Bauteile sind betroffen, etwa Sitze, Türen, Dichtungen oder Handschuhkästen. Auch knarzendes Leder bereitet den Akustikern mitunter Ohrenschmerzen. Für alle Werkstoffe und Bauteile gibt es einen Fehlerbewertungsschlüssel, nach denen die Geräuschmängel möglichst objektiv erfasst werden. Letztlich bleibt die Geräuschanalyse aber eine subjektive Bewertung.
Trotz aller High-Tech-Anwendungen bei der Akustikanalyse von Audi: Wie die Teammitglieder beim Aufspüren der Geräusche zu Werke gehen, entbehrt auf den ersten Blick nicht einer gewissen Exotik. So liegt ein Akustiker nicht selten bei der Testfahrt im Kofferraum und "hört sich um" - Buckelpiste, Eiseskälte und unterschiedlichste Fahrbahnbeschaffenheiten inklusive. Oder der Tester auf der Beifahrerseite steckt seinen Kopf während der Fahrt in den Fußraum und lauscht ins Auto hinein - die Beine lässt er dabei über die Rückenlehne baumeln. Vortanz: "Eigentlich kriechen wir überall ins Auto rein." Damit dabei jedoch die Arbeitssicherheit nicht zu kurz kommt, finden die Erprobungsfahrten nicht auf öffentlichen Straßen, sondern auf abgesperrten Teststrecken statt.
Im Laufe der Jahre erstellte das Team einen Knister-Knaster-Katalog, der über das Audi Intranet im Rahmen des Wissensmanagements verfügbar ist. Er dient den Audi Ingenieuren bei der Entwicklung eines neuen Modells als Grundlage, um Konstruktionen, die über potenzielles Knister-Knaster-Potenzial verfügen, von vornherein zu vermeiden. Bestimmte Geräuschquellen können die Experten bereits beim Blick auf das digitale Modell und dessen Konstruktion am Computerbildschirm erkennen - ohne dass es überhaupt eine Hardware geben würde, die knarzen, klappern, rasseln oder quietschen könnte. Peithmann: "Es gibt bestimmte Konstruktionen, Bauteil- oder Werkstoffkombinationen, die man allein beim Blick auf die CAD-Daten gleich ausschließen kann."
Audi ist ein weltweit operierender Entwickler und Produzent hochwertiger Automobile. Im Jahr 2001 lieferte das Unternehmen mehr als 726.000 Audi Modelle an Kunden aus. Der Umsatz des Audi Konzerns betrug im vergangenen Jahr rund 22 Mrd. Euro. Im Konzern sind mehr als 50.000 Mitarbeiter beschäftigt.
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