Audi Pate einer gigantischen Automobilskulptur
Deutschland. Land des Autos. Berlin macht mobil
Ingolstadt/Berlin (ots)
- Skulptur "Das Automobil" vor Brandenburger Tor enthüllt - Wie ein 2,5 faches Modell eines Serienfahrzeuges entsteht
Ein gold-silberfarbenes Objekt vor dem Brandenburger Tor: 10,20 Meter lang, 3,25 Meter hoch, 4,50 Meter breit. Am 6. April wurde der "Platz des 18. März" zur Kulisse für ein ungewöhnliches Spektakel: der Enthüllung einer einzigartigen, überdimensionalen Automobilskulptur im Maßstab 2,5 : 1, für die Audi Pate ist. Symbol für die Innovationskraft deutscher Technik und den Standort Deutschland - Land der Ideen. Audi ist offizieller Partner der Standort-Initiative zur Fußball-WM. Mit der Großplastik "Das Automobil" erhielt der "Walk of Ideas", ein Skulpturenpark als zentraler Bestandteil der Initiative "Deutschland - Land der Ideen", die dritte von insgesamt sechs Skulpturen im Zentrum von Berlin. Doch nicht nur die Enthüllung war spektakulär, auch die Entstehungs- geschichte und die Skulptur an sich ist reich an Superlativen.
Was unterscheidet die Automobilskulptur von den fünf anderen Plastiken? Für das XL Format 'Das Automobil' kommt der Entwurf aus der eigenen Designabteilung. "Das Automobil ist Deutschlands liebstes Kind und wichtigster Exportartikel" meint Claus Potthoff, Leiter Exterieur Design bei Audi, unter dessen Federführung diese Skulptur entworfen wurde. Und der zeitliche Bezug ist ein anderer. Während die anderen Großplastiken im "Walk of Ideas" Themen der Vergangenheit präsentieren, blickt Audi mit dieser Skulptur in die Zukunft. "Wir haben bewusst ein brandneues Modell gewählt, unsere neue Linie mit dem Single Frame dargestellt, ohne dabei geschätzte vergangene Werte aus den Augen zu verlieren" sagt Potthoff. "Eine Ikone wie den ersten Audi TT muss man mit Würde behandeln, und dennoch neue Anziehungs- kraft verleihen." Ganz im Sinne des "Walk of Ideas" demonstriert die Automobilskulptur die Verbindung einzigartiger und bewährter Erfindungen der Vergangenheit mit bahnbrechenden neuen Ideen für die Zukunft der Automobilindustrie.
Tatsächlich war der neue Audi TT Vorlage für die Skulptur. Wieso gerade dieses Modell? "Für eine Skulptur dieser Größe ist der Audi TT das beste Auto zum perfekten Zeitpunkt. Der Wiedererkennungswert ist auch ohne Markenzeichen gegeben. Der TT ist das Fahrzeug, das Kinder am besten nachmalen" antwortet Potthoff. "Die Zeichenhaftigkeit ist die ideale Grundlage für eine Skulptur in dieser Größe." Denn die ungewöhnlichen Maße waren die größte Herausforderung für die Designer. Bei Serienmodellen werden normalerweise 3D Modelle im Maßstab 1:4 angefertigt, um ein Gefühl für den Gesamteindruck des neuen Audi zu bekommen. "Bei dieser Skulptur sind die Größenver- hältnisse genau anders herum, hier haben wir vom Serienmodell um das 2,5 fache vergrößert - ohne vorher zu wissen, wie die Skulptur als Gesamtheit wirkt" erklärt Potthoff. "Die Schulterkante allein liegt auf zwei Meter Höhe, d.h. einem Menschen durchschnittlicher Größe gelingt es nicht, die Nase mal kurz ans Fenster zu drücken." fügt Potthoff hinzu. Die Räder wurden angeschnitten, um dem Gewicht, das auf den Asphalt drückt, Rechnung zu tragen. Immerhin wiegt die Skulptur knapp zehn Tonnen.
Die Automobilskulptur bleibt im Stil der anderen Berlin-Plastiken was die Farbgebung, das Material und die Klarheit der Darstellung betrifft, und ist dennoch irgendwie anders. "Die Plastik 'Das Automobil' ist realitätsnah, weniger abstrakt, im Grunde ein XL Format des Serienprodukts", meint Uwe Schäfer, technischer Projektleiter bei der EDAG Engineering + Design AG, die den Zuschlag für die Fertigung aller Skulpturen im Rahmen dieser Kooperation über eine öffentliche Ausschreibung erhielt. Woran liegt das? "Die riesigen Skulpturen mussten für den Fertigungsprozess segmentiert werden. Für alle anderen Skulpturen wurden daher gestalterische Fugen - ohne Realitätsbezug - geschaffen. Audi nutzte ausschließlich natürliche Fugen."
Potthoff bekräftigt: "Die Funktionsfugen beim Serienmodell wurden von der Lage her identisch bei der Skulptur abgebildet". Auf Details wie Türgriffe oder den Tankdeckel wurde verzichtet, aber die typische Linienführung bleibt erkennbar.
Und wie hat alles begonnen? Nach nur zwei Wochen Computerarbeit lieferten die Audi Designer die Hülle, d.h. die Grundmaße an EDAG. Auf den Flächen des Serienfahrzeuges basierend wurden Varianten simuliert, um den Grad der Abstraktion festzulegen. Es wurden fotorealistische Darstellungen mit Personen und dem Brandenburger Tor als Größenvergleich gemacht, um ein Gefühl für die Proportionen und den Detaillierungsgrad zu bekommen.
In Fulda, am Standort der EDAG, hat man Hallen frei geräumt, die sonst für den Karosseriebau genutzt werden, um die riesigen Skulpturen aus Kunststoff zu fertigen. Für die sechs XL Plastiken wurden dieselben Materialen verwendet: ein neuartiges Kunststoff- gemisch, Neopor, das von der BASF AG entwickelt wurde. Eigentlich für die Wärmedämmung von Häusern vorgesehen, bildet es die Füllmasse für die Skulptur. Mit den Exterieurdaten von Audi haben die Konstrukteure bei der EDAG das "Innenleben" der Skulptur erstellt. Eine Heraus- forderung der besonderen Art, wie Uwe Schäfer betont: "Wir mussten Wege finden, die Skulptur montierbar, lackierbar, produzierbar und handelbar zu machen, und das bei strengem Zeitplan." Mit nur zwei Monaten ist die Automobilskulptur die Schnellste im Fertigungs- prozess.
Die Konstruktionsdaten bildeten die Basis für die Programmierung der Fräsmaschine. 120 Kubikmeter Neoporschaum verbergen sich in den 16 Einzelteilen, in die die Skulptur, gemäß Kapazität und Ausmaß der Fräsmaschine, untergliedert wurde. Aus riesigen, grauen Neopor- blöcken, 5 Meter lang, 1 Meter breit und bis zu 1,20 Meter dick wurden die einzelnen Segmente gefräst. Alexander Schäfer, der für die Konstruktion der Automobilskulptur zuständig ist, erläutert: " Die Segmente wurden von außen nach innen konstruiert. Damit ist der Bauraum für den Statiker gegeben; anhand der Lastangaben wurde der Haupttragrahmen konstruiert." Dieser befindet sich im Innenraum des Skulpturrumpfes und bildet das Gerüst, auf das später die Hilfstrag- rahmen angeschraubt wurden. So entstand aus 16 Schalensegmenten eine Form - die des Automobils. Bis es jedoch so weit ist, heißt es, noch eine Vielzahl von Schritten zu vollführen.
Der Skulpturenkörper wurde dreifach mit Glasfaser laminiert, um dem Hartschaum für die weitere Verarbeitung die nötige Festigkeit zu geben. "Der Segelflugzeugbau ist die Wiege des Laminierens" erklärt Elmar Krick, der sieben Jahre als Modellbauer im Segelflugzeugbau tätig war bevor er vor 14 Jahren zur EDAG kam. Sein Blick schweift aus dem Fenster am Standort in Fulda zur Wasserkuppe auf 958 Meter, dem "Berg der Flieger". Fulda zieht die Segelflieger an, sobald der Schnee schmilzt und der Frühling erwacht. Kricks Blick wandert zurück zum übergroßen Seitenteil der Automobilskulptur, das er gerade laminiert. So außergewöhnlich wie das Segelfliegen seien auch die Ausmaße dieser Segmente. Insgesamt wurde 1000 Quadratmeter Glas- faserlaminat verarbeitet. Wichtig beim Laminieren sei die Zeit fürs Aushärten. "Jeder künstliche Alterungsprozess birgt Risiken" meint Krick. Die Gefahr der Brüche steigt etwa beim Beschleunigen des Aushärtens im Ofen.
Die letzte Schicht beim Laminieren bildet die Abrissfolie. Mit dem Abriss der Folie nach dem Aushärten wird die Oberfläche für die weitere Bearbeitung angeraut. Nun wird die 15 Millimeter Kunst- stoffpaste auf der Vorderseite der Segmente aufgetragen. Die zwei Gemische für die Paste laufen in einem Dosierkopf zusammen. Für den ungeübten Beobachter muten die zehn Zentimeter Streifenlagen nach der Ummantelung der Segmente einem Zebralook an. Nach 72 Stunden Aushärtung ist die Oberfläche nun vorbereitet fürs Abfräsen auf sechs Millimeter.
Beim Finish bearbeiten mehrere Kollegen die Oberfläche eines Segmentes gleichzeitig. Geduld und äußerste Sorgfalt sind gefragt. "Nur bei geraden Flächen kann die Schleifmaschine genutzt werden; bei dieser Skulptur sind die meisten jedoch gewölbt und das bedeutet Handarbeit" sagt Bernd Schäfer. Schon wieder ein "Schäfer"? "Der Vierte im Bund" schmunzelt Bernd Schäfer. "Wir werden auch schon die 'Schäfer'- Abteilung genannt, obwohl der 'Schäfer Clan' purer Zufall ist und wir weder verwandt noch verschwägert sind".
Für den Abtransport der Skulptur in ihrer ganzen Größe ist das Tor in der Halle Fulda Nord in der Breite um fünf Zentimeter zu klein, dort wo alle bisherigen Fertigungsprozesse von der Konstruktion über das Fräsen, Laminieren, Bepasten und dem Finish vollzogen wurden. Für "die Hochzeit", wie es bei der Automobilproduktion heißt, müssen die Segmente daher zehn Kilometer auf Reise gehen, zur Halle West, wo normalerweise Fertigungsstraßen für Rohbauanlagen entwickelt und vormontiert werden. Hohe Wände umstellen den Montagebereich, Geheimhaltung wird - in diesem Fall buchstäblich - groß geschrieben. Die grundierten Hilfstragrahmen, die an der Rückseite der Segmente verklebt sind, werden nun nach einander an das Stahlgerüst, das den Haupttragrahmen bildet, verschraubt. Ein Kran hebt das Segment in die entsprechende Höhe; verschraubt wird manuell. Die Skulptur nimmt langsam Gestalt an, und den Machern den Atem beim ersten Anblick des Gesamtwerks.
"Kleider machen Leute" und so heißt es, auch die Skulptur wetterfest und adrett anzuziehen. Die Automobilskulptur wird in einer für LKWs konzipierten Lackierkabine in Fulda lackiert. Es ist das erste Mal, dass man eine riesige Fläche diesen Ausmaßes - 150 Quadratmeter - mit Autolack lackiert, einem von BASF Coatings eigens angefertigten Dreischicht- Wasserbasis- Metallic- Lack. Der Respekt vor der Größe dieser Skulptur zieht sich durch alle Phasen des Entstehungsprozesses.
Endlich ist es so weit. Die Skulptur bekommt ihren "Pyjama", eine Art Flies mit lackfreundlicher Schutzfolie, übergestülpt und wird somit reisefertig gemacht. Per Autokran auf einen Tieflader verladen, geht es mit Polizeieskorte nach Berlin, natürlich über Nacht, um den Verkehr so wenig wie möglich zu stören. Denn immerhin ist der Trailer mit seinem wertvollen Gut 4,60 Meter breit und 24 Meter lang, die Autobahnfahrbahn in der Breite somit um einen Meter überschritten. Mit durchschnittlich 70 km/h dauert die 440 km lange Fahrt elf Stunden. Immer wieder fährt man heraus, um nachfolgende Fahrzeuge überholen zu lassen.
Nach Ankunft des Tiefladers am Morgen, wird die riesige Skulptur mit einem Kran abgelassen und auf ihre endgültige Position gebracht. Die Räder werden justiert und der Unterboden der Skulptur mit ausge- laserten 0,8 Millimeter dünnen Blechtafeln geschlossen, die auch in Wagenfarbe lackiert sind. Das inneliegende Stahlgerüst ist somit auch von unten geschützt.
Dass EDAG Zulieferer für Prototypenteile und Dienstleister für Konstruktionsarbeiten für Audi ist, half für die Zusammenarbeit, insbesondere bei der engen Zeitleiste und der Sicherheitsstufe 1 in Sachen Geheimhaltung. Immerhin wurde hier ein noch nicht in den Markt eingeführtes Modell in überdimensionaler Größe gefertigt. Martin Hillmann, Projektkoordinator für die Logistik bei EDAG, bestätigt: "Die Geheimhaltung war eine der größten Heraus- forderungen für uns. Allein beim Aufbau in Berlin, vor einer derart prominenten Kulisse, ist man umgeben von Baukränen, die die Skulptur natürlich überblicken. Selbst vier Meter hohe blickdichte Bauzäune helfen dann nicht."
Die überdimensionale Autoskulptur vor der Kulisse des Brandenburger Tors präsentiert sich nun einem internationalen Publikums, das seinen Blick in den nächsten Wochen zur Fußball WM insbesondere auf Deutschland und die Hauptstadt richten wird. Weltweit gilt Deutschland als Land des Fußballs und als Land des Autos. Berlin schlägt mit dem "Walk of Ideas" erneut die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Deutschland - Land der Ideen.
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