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Neues Urheberrechtsgesetz - ein Rückschritt?
Experten warnen vor Qualitätsverlust in der Wissenschaft und fordern den elektronischen Zugriff auf Volltexte

Hannover (ots)

Laut einer GetInfo-Umfrage unter Experten anlässlich des "Tags des geistigen Eigentums" am 26. April wird der Spielraum der Bibliotheken durch das neue Urheberrecht stark eingeschränkt. Statt einer Beschleunigung der Informationsversorgung durch digitale Lieferungen sind Bibliotheken zunächst gezwungen, wieder auf Post- und Faxversand zurückzugreifen. Damit wissenschaftliche Fachinformationen nicht wegen langsamerer Versandformen ins Abseits geraten, sind neue Lösungen gefragt. So verhandelt die Technische Informationsbibliothek (TIB) Hannover derzeit mit den Verlagen Lizenzen neu.

Am 1. Januar 2008 trat der sogenannte "zweite Korb" der Urheberrechtsnovelle in Kraft. Damit wird das Urheberrecht laut Gesetzgeber an das digitale Zeitalter angepasst. "In der Anwendung ist das neue Urheberrechtsgesetz allerdings erst mal deutlich komplizierter als zuvor", so Uwe Rosemann, Direktor der TIB Hannover. Verbraucher haben weiterhin das Recht auf eine Privatkopie. Öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken dürfen mit digitalen Kopien allerdings nicht mehr in Konkurrenz zum Verlag treten. Sobald dieser über ein Online-Angebot verfügt, müssen die Bibliotheken auf Versand von Papierkopien per Post oder Fax ausweichen. Darüber hinaus dürfen kommerzielle Kunden ausschließlich per Papierversand von den Bibliotheken beliefert werden.

Derzeit umständliche Informationsbeschaffung Leser sind bereits seit den 1990er-Jahren gewohnt, die Dokumente in zeitgemäßen Formaten an den PC geliefert zu bekommen. Seit 1. Januar sehen sich die Bibliotheken sowie ihre Kunden nun wieder einer Papierflut gegenüber: Kurt Schröder von der Universitätsbibliothek Dortmund berichtet von einem Verbrauch von 12.000 Seiten Papier allein in einem Monat. Auch Dr. Johann Leiß von der Universitätsbibliothek der Technischen Universität München bestätigt: "Die Dokumentenlieferung ist komplizierter geworden. Post- und Faxversand sind Rückschritte." Der Informationssuchende wird schneller auf Wissen bei Wikipedia oder Google zurückgreifen - mit negativen Auswirkungen auf das wissenschaftliche Niveau. Denn diese frei zugänglichen Angebote reichen vor allem hinsichtlich der Validität nicht an qualifizierte Fachinformationen von Bibliotheken oder wissenschaftlichen Fachportalen wie GetInfo heran.

Gefahr für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort "Die Bedingungen wissenschaftlicher Arbeit haben sich momentan durch die Folgen des neuen Urheberrechts dramatisch verschlechtert", ist sich Prof. Dr. Eberhardt R. Hilf, Geschäftsführer der Institute for Science Networking Oldenburg GmbH, sicher. "Wenn die Situation bleibt, wie sie ist, wird Deutschland gegenüber Ländern wie beispielsweise USA regelrecht von der wissenschaftlichen Entwicklung abgeklemmt", mahnt er. Hinzu kommt, dass durch eingeschränkte Konkurrenzangebote und erhöhten Aufwand die Preise steigen. Das wird nicht nur bei den finanziell eingeschränkten Hochschulen, sondern auch in der wirtschaftlichen Forschung zu einer zurückhaltenden Bestellung von Fachliteratur führen.

Gefragt sind intelligente Lösungen

Trotz der Unsicherheiten und Schwierigkeiten, die die Gesetzesänderung zunächst mit sich gebracht hat, sollten die Dokumentenlieferanten konstruktiv reagieren. Die TIB Hannover wird mit dem Angebot GetInfo weiterhin den Direktzugriff auf elektronische Volltexte aus dem Bereich Technik und Naturwissenschaften ermöglichen. Mithilfe neu verhandelter Lizenzen mit den Verlagen als Rechteverwertern und den Bibliotheken als Anbietern hat GetInfo damit begonnen, Preise- und Versandwege wieder zu vereinheitlichen. Grundlage dieser Lizenzneuvereinbarungen ist der Rahmenvertrag für den elektronischen Versand von wissenschaftlichen Zeitschriftendokumenten im deutschsprachigen Raum, den der Dokumentenlieferdienst der Bibliotheken subito bereits Ende Dezember 2007 mit nationalen und internationalen Wissenschaftsverlagen vereinbarte. Das ist gegenwärtig die einzige Möglichkeit, der Novellierung des Urheberrechtes zu begegnen. "Wir stehen in engen Verhandlungen mit allen relevanten Verlagen und können bereits erste Erfolge verzeichnen. So haben wir zum Beispiel mit den Verlagen Walter de Gruyter, Emerald, Karger, Springer, Taylor&Francis und Thieme wichtige Partner für Pay-per-View-Verträge gewonnen. Darüber hinaus sind bereits Verträge über den Kopienversand beispielsweise mit Springer, Wiley, IOP Publishing und Thieme abgeschlossen", sagt Uwe Rosemann. Die elektronische Lieferung zu Vertragsbedingungen bei GetInfo ist unkompliziert: Der Kunde erhält sein Dokument elektronisch, über ein Rechteverwaltungssystem (Digital Rights Management (DRM)) verschlüsselt und damit rechtskonform zu den Bedingungen der Rechteinhaber. Der Kunde darf das Dokument beispielsweise innerhalb von 30 Tagen beliebig oft öffnen und zweimal ausdrucken.

An der Befragung von GetInfo haben folgende Institutionen und Unternehmen teilgenommen: Institute for Science Networking Oldenburg GmbH (ISN), Technische Universität Dortmund, Technische Universität München, Technische Universität Cottbus, Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven, Braun GmbH (Kronberg/Taunus).

Über GetInfo:

GetInfo ist das Wissensportal für Technik und Naturwissenschaften. Es ermöglicht die parallele Recherche von qualifizierten Fachinformationen in verschiedenen Datenbanken sowie die Lieferung der Volltexte in gedruckter oder elektronischer Form. Das GetInfo-Portal ist eine Kooperation der Technischen Informationsbibliothek (TIB) in Hannover und der deutschen Fachinformationszentren FIZ Technik Frankfurt, FIZ Karlsruhe und FIZ CHEMIE Berlin. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. www.getinfo.de

Ansprechpartner:

Uwe Rosemann
Direktor Technische Informationsbibliothek Hannover
Welfengarten 1 B
30167 Hannover
Tel.: (0511) 762-2531
Fax: (0511) 762-2686
E-Mail: uwe.rosemann@tib.uni-hannover.de
www.tib-hannover.de

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