Mehr Opferschutz lange überfällig
Mainz (ots)
Weißer Ring fordert besseren Schutz der Persönlichkeitsrechte von Opfern im Jugendgerichtsverfahren / Tag der Kriminalitätsopfer (22. März) setzt Signal für mehr Gleichgewicht zwischen Täter- und Opferinteressen vor Gericht
Die bundesweite Opferschutzorganisation Weißer Ring fordert von Politik und Justiz, die schon lange diskutierten Verbesserungen beim Opferschutz im Strafverfahren endlich in die Tat umzusetzen. Den oft unter schweren psychischen Belastungen leidenden Opfern sei die ungleiche Behandlung von Täter- und Opferinteressen im Gerichtssaal nicht länger zuzumuten. Während dem Angeklagten ein vom Gemeinwesen getragener Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werde, müssten die meisten Verbrechensopfer nach wie vor einen Rechtsbeistand zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte aus eigener Tasche bezahlen. Im Jugendgerichtsverfahren ist nach derzeitiger Praxis noch nicht einmal die Beiordnung eines Zeugenbeistandes ohne Nebenklagebefugnisse zugelassen.
Der Weiße Ring weist darauf hin, dass die Nebenklage sich seit langem zu einem Instrument des Opferschutzes gewandelt hat und dadurch die Grundsätze des Jugendgerichtsverfahrens nicht eingeschränkt werden. Im Gegenteil können durch die damit verbundene Akzentuierung der Opferinteressen dem jugendlichen Straftäter die Folgen seiner Tat besser deutlich gemacht werden. Dies dient letztlich dem Erziehungs- und Resozialisierungsgedanken.
Schadenswiedergutmachung für Opfer besonders wichtig
Auch im Bereich der Schadenswiedergutmachung sind nach Auffassung der größten deutschen Opferschutzorganisation endlich konkrete praktische Voraussetzungen zu schaffen. Es sei den Opfern nicht verständlich, zur Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in aller Regel einen zweiten Prozessweg bestreiten zu müssen, obwohl das sogenannte Adhäsionsverfahren in vielen Fällen angewandt werden könnte. Hier sind die Gerichte nachdrücklich aufgefordert, diese im Strafgesetzbuch verankerte Möglichkeit im Interesse der Opfer auszuschöpfen. Im Jugendgerichtsverfahren ist ein Adhäsionsverfahren bisher überhaupt nicht möglich. Dies müsse unbedingt geändert werden, fordert der Weiße Ring.
Gerade hier dient die Schadenswiedergutmachung dem Erziehungsgedanken und ist geeignet, das Verantwortungsbewusstsein bei jugendlichen Straftätern zu fördern. Durch die Konfrontation mit dem angerichteten Schaden wird ein hoher erzieherischer Wert erfüllt. Der jugendliche Täter erkennt, dass es nicht damit getan ist, einen Schuldspruch entgegenzunehmen, sondern dass er bei seinem Opfer etwas gutzumachen hat.
Das Ziel von Geldstrafen muss auch Opferhilfe sein
Die sich bereits seit längerem in der Diskussion befindliche Gesetzesinitiative der Bundesregierung, künftig einen Teil von jeder verhängten Geldstrafe über staatlich anerkannte Opferhilfseinrichtungen unmittelbar den Geschädigten zugute kommen zu lassen, wird vom Weißen Ring als sinnvoll und dringend notwendig begrüßt. "Das ist für viele Menschen eine Chance, die körperlichen, seelischen und wirtschaftlichen Folgen einer Straftat besser bewältigen zu können", so WR-Sprecher Helmut K. Rüster.
Ebenso sei der angekündigte Vorrang der Schadenswiedergutmachung vor staatlichen Forderungen an den Täter ein schon lange überfälliger Beweis für mehr Verantwortung des Gemeinwesens gegenüber den Opfern von Kriminalität und Gewalt. Wenn eine Geldstrafe erst dann fällig wird, wenn der Täter dem Opfer Schadensersatz geleistet hat, ist das nur gerecht und vernünftig. Kein Opfer habe Verständnis dafür, dass es möglicherweise leer ausgeht, nur weil der Staat sich zuerst bedient hat.
Die Zeit sei reif dafür, dass sich die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern parteiübergreifend an einen Tisch setzen, um diese in sich schlüssigen Gedanken in praktische Handlungsrahmen einfließen zu lassen.
Opferzeugen verdienen besonderen Schutz
Nicht hinnehmbar ist, so der Sprecher des Weißen Rings, Helmut K. Rüster, dass viele schwer betroffene Opfer nach geltender Gesetzeslage überhaupt keinen Anspruch auf einen vom Staat bezahlten Opferanwalt haben. Was seit einiger Zeit den Opfern von Sexualdelikten und versuchten Tötungsdelikten zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte zugestanden werde, sei für die Opfer schwerer und gefährlicher Körperverletzung, Geiselnahme oder Menschenraub und in Fällen besonders schwerer Nötigung ebenso erforderlich. Unverständlich bleibt nach wie vor, dass auch vollendete Tötungsdelikte nicht erfasst sind und Hinterbliebene, die als Zeuge oder Nebenkläger im Strafprozess auftreten, nur dann einen Anwalt beigeordnet erhalten, wenn sie bedürftig sind. Gerade bei Tötungsdelikten mit sexuellem Hintergrund bestehe in aller Regel ein ganz erhebliches Bedürfnis für die am Prozess teilnehmenden Hinterbliebenen, dass die Persönlichkeitsrechte des getöteten Opfers geachtet werden.
Der Weiße Ring / Daten-Zahlen-Fakten
Hilft seit 1976 als gemeinnütziger Verein Kriminalitätsopfern und ihren Familien: Schnell, unbürokratisch und kostenlos, u.a. durch menschlichen Beistand, persönliche Betreuung, Hilfestellung im Umgang mit Behörden, Begleitung zu Gerichtsterminen, Gewährung von Rechtsschutz, Erholungsmaßnahmen, Vermittlung von Hilfen anderer Organisationen sowie finanziellen Zuwendungen bei tatbedingten Notlagen.
Zählt rd. 300.000 Förderer und Mitglieder, unterhält bundesweit 400 Außenstellen mit rd. 2.300 ehrenamtlichen Helfer/innen.
Unterstützt die Kriminalitätsvorbeugung, begleitet Projekte der Schadenswiedergutmachung und des Täter-Opfer-Ausgleichs, setzt sich öffentlich für Opferbelange ein.
Erhält die Mittel für seine Opferarbeit durch Spenden, Zuweisungen von Geldbußen, Nachlässe und Erbschaften sowie Mitgliedsbeiträge (monatlich ab 2,50 EUR für Einzelpersonen, 3,75 EUR für Ehepaare, 1,25 EUR für Jugendliche).
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Der Tag der Kriminalitätsopfer erinnert am 22. März jeden Jahres an die Situation der durch Kriminalität und Gewalt geschädigten Menschen, die auf Schutz, praktische Hilfe und Solidarität unseres Gemeinwesens angewiesen sind. Der Weiße Ring stärkt mit diesem Signal seit mehr als zehn Jahren das öffentliche Bewusstsein und fordert Politik, Justiz und Verwaltung zum Handeln auf. Dabei kann er auf dankenswerte Unterstützung der Medien und anderer gesellschaftlichen Kräfte zählen, denen das Schicksal in Not geratener Kriminalitätsopfer nicht einerlei ist. Inzwischen ist dieser Tag für viele Menschen zu einem weit hin sichtbaren Zeichen gesellschaftlicher Verantwortung geworden. 312152
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