Neues WE-Gesetz: Viel Bürokratie setzt Verwalter unter Druck
Interview mit Wohnungseigentums-Experten Dr. Wolf-D. Deckert
Freiburg (ots)
Verwalter von Wohnungseigentum gehen harten Zeiten entgegen. Mit dem seit 1. Juli geltenden neuen Wohneigentumsgesetz (WEG) müssen sie wegen der neu vorgeschriebenen Beschluss-Sammlung wesentlich mehr Bürokratie bewältigen, mit erweiterten Rechten ihrer Eigentümerversammlung fertig werden und bei Streitigkeiten fit in der Zivilprozessordnung (ZPO) sein. Dies geht aus einem Exklusiv-Video-Interview ( www.wrs.de/weg-reform ) des WRS Verlags München/Planegg mit dem in Fachkreisen gern als "WEG-Koryphähe" bezeichneten Münchner Rechtsanwalt Dr. Wolf-D. Deckert hervor.
Hält sich der Verwalter nicht akribisch an die umfangreichen Vorschriften zur Beschluss-Sammlung, gefährdet er unter Umständen sogar seine eigene Existenz, warnt Deckert, Herausgeber des Standardwerkes "Die Eigentumswohnung". "Ihm droht die Abberufung mit fristloser Vertragskündigung." Laut Gesetz habe jeder Eintrag in die Sammlung "unverzüglich" zu erfolgen. "Gerade diese Forderung dürfte Verwalter sehr belasten und unter Zeitdruck setzen, zumal Protokollerstellungen bisher nicht unter diesem strengen Fristenzwang standen." Hinzukomme, dass zurzeit amtierende Verwalter zusätzlich Versammlungsprotokolle in üblicher Form erstellen müssen.
Deckert glaubt, dass Verwalter diesen Anforderungen ohne spezielle Software kaum mehr rechtssicher nachkommen können, "zumal manche Eintragungsgebote noch umstritten sind und es deshalb sehr bald zu einer Überfrachtung kommen wird".
Vorsicht vor der Haftungsfalle
In den erweiterten Beschlusskompetenzen der Eigentümerversammlung sieht der WEG-Experte Einiges an Streitpotenzial. Auch wenn die Eigentümer nun durch gelockerte Mehrheitsvorschriften leichter gesetzliche Vorgaben oder bestehende Vereinbarungen ändern können, so bleiben solche Beschlüsse laut Deckert aus formellen oder inhaltlichen Gründen weiterhin anfechtbar. "Dann wird um die Auslegung der vielen einschränkenden unbestimmten Rechtsbegriffe gestritten werden." Unterm Strich werde "die Selbstverwaltung der Gemeinschaft allerdings sicher flexibler und mitunter gerechter".
Verwalter, die den Mehrheitswillen einer Gemeinschaft weitgehend respektieren müssen, sollten jedoch nicht glauben, deren Beschlüsse nicht verantworten zu müssen. Deckert rät in dem Interview mit dem WRS-Verlag: "Verwalter sollten vor einer Abstimmung ausdrücklich auf erklärte Beschlussanfechtungsrisiken hinweisen und dies auch beweisbar protokollieren, um nicht in Gerichtsverfahren mit einer eventuell negativen Kostenentscheidung belastet zu werden."
In der Haftungsfalle sitze der Verwalter, "wenn er falsche Beschlussergebnisse feststellt und verkündet. Wird der Beschluss angefochten und werden ihm Formfehler nachgewiesen, kann der Verwalter zur Übernahme der Kosten verurteilt werden".
Vor Gericht gilt jetzt die teure Zivilprozessordnung
Der Gang zu Gericht wird durch das neue WE-Gesetz allerdings teuer. "Jetzt ist nicht mehr die so genannte Freiwillige Gerichtsbarkeit zuständig, sondern die Zivilprozessordnung." Und dies bringe für beide Seiten keinerlei positive Effekte mit sich. Die Neuregelung habe nur einen Grund: "Der Gesetzgeber verspricht sich hierdurch Mehreinnahmen in derzeit nicht bezifferbarer Höhe." Denn: Die Gerichtsgebühren dürften im Durchschnitt viermal so hoch sein wie die der bisherigen Kostenordnung.
Hinzu komme, dass mangelhafte Vorbereitung auf den Prozess - wie beispielsweise unvollständiger und fehlerhafter Schriftsatzvortrag zum Sachverhalt - schneller zum Verlieren führt als bisher. "Denn auf richterliche Unterstützung in der Aufklärung eines Sachverhalts und Antragsauslegung kann nicht mehr spekuliert werden", so Deckert in dem Interview. Er befürchtet, dass aufgrund des neuen Rechtsmittel-Instanzenzugs WE-Verfahren künftig in der Mehrzahl erst vor dem Landgericht entschieden werden. "Ob dies der Rechtssicherheit dienlich ist, bleibt abzuwarten" merkt Deckert zweifelnd an.
Die Konsequenz sei: "Mehr als bisher müssen wohl auch fachgeschulte Rechtsanwälte mit Verfahrensführungen beauftragt werden. Die Prozesskosten werden erheblich steigen. Das Prozesskostenrisiko ebenfalls, da eine unterlegene Partei nunmehr stets sämtliche Kosten des Verfahrens zu tragen hat." Und zudem könne ein nicht unmittelbar beteiligter Verwalter bei Streitigkeiten unter Eigentümern in eine eigene Kostenhaftung geraten.
Achtung Redaktion: Das ausführliche Video-Interview des WRS Verlags mit dem WEG-Experten Dr. Deckert steht Ihnen unter www.wrs.de/weg-reform zur Verfügung.
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