Gläserner Steuerbürger: Kapitalflucht aus der Schnüffelzone
Freiburg (ots)
Die seit April mögliche Kontenabfrage durch Beamte führt dazu, dass immer mehr Deutsche im nahen Ausland, insbesondere in Österreich, Konten eröffnen. Dies vermutet Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP). Der Justizminister von Baden-Württemberg schreibt im Fachmagazin "Consultant": "Diesen unerhörten Eingriff in ihre Privatsphäre werden sich die Menschen nach meiner Überzeugung nicht gefallen lasse." Wegen einiger weniger Gesetzesuntreuen dürften nicht alle rechtschaffenen Bürger permanent kontrolliert werden - ohne jeglichen Anfangsverdacht.
Rund 497 Millionen inländische Konten und Depots von rund 60 Millionen Kontenbesitzern können mit dem Instrument der Kontenabfrage von Beamten in Finanzämtern und Sozialbehörden seit dem 1. April relativ unproblematisch ausgeforscht werden. Zwar läuft derzeit ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht, doch einen Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat dieses am 22. März 2005 abgelehnt (1 BvR 2357/04 und 1 BvQ 2705).
Doch es flammt Hoffnung auf eine politische Neuregelung auf. Denn Justizminister Goll kündigt in "Consultant" an, dass sich die FDP im Falle eines Regierungswechsels im Bund bei Koalitionsverhandlungen dafür einsetzen möchte, dass die Einschränkung des Bankgeheimnisses wieder abgeschafft wird. Schließlich habe jeder Sparer Anspruch auf Diskretion. Goll: "Es geht den Staat ohne Verdacht auf Straftaten schlichtweg nichts an, wer wo ein Sparbuch unterhält."
Schützenhilfe erhält Goll von Peter Schaar, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz in Bonn. Gegenüber "Consultant" erklärt er, dass er die Balance zwischen Steuergerechtigkeit und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet sehe, weil "der Staat sich immer mehr Kontrollmöglichkeiten verschafft". Kritsch sieht er in diesem Zusammenhang auch das steuerliche Identifikationsmerkmal nach § 139 Abgabenordnung. Damit sollen alle Steuerbürger ab dem Jahr 2006 bundesweit erkennbar sein.
Früher schon kritisierte Schaar die Einführung des Reisepasses mit biometrischen Merkmalen ab November. Daraufhin kassierte der Bundesdatenschützer den Rüffel von Bundesinnenminister Otto Schily, er sei nicht ermächtigt, sich zu technischen Fragen zu äußern. Schaar konterte diesbezüglich in "Consultant": "Über diese Äußerungen habe ich mich gewundert. Meine Zuständigkeiten und meine Kompetenzen sind eindeutig im Bundesdatenschutzgesetz festgelegt. Danach ist es meine Aufgabe, den Bundestag und die Öffentlichkeit über wesentliche Datenschutzentwicklungen zu informieren. Nur dies habe ich getan und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, auch was die Einführung biometrischer Merkmale in Pässen anbelangt."
Der Fiskus rüstet bereits seit Jahren mächtig auf. Zahlreiche Instrumente ermöglichen bereits heute deutlich verbesserte Ermittlungsmöglichkeiten. Zu den in den vergangenen Jahren neu geschaffenen Instrumenten zählen neben der Kontenabfrage:
- die seit Juli geltende EU-Zinsrichtlinie mit der Kontrollmitteilung hinsichtlich der Zinseinkünfte von EU-Ausländern - die EU-Geldwäscherichtlinie, die erneut verschärft werden soll - die seit 2002 mögliche digitale Betriebsprüfung - die Umsatzsteuer-Nachschau - die Bauabzugssteuer - verschärfte Rechnungsangabepflichten zur Erlangung der Vorsteuer - die Einführung der Straftat gewerbs- und bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370a Abgabenordnung), die der Bundesgerichtshof auf Grund der unbestimmten Regelung für verfassungsrechtlich bedenklich ansieht
Informationen zu "Consultant":
"Consultant" ist ein Fachmagazin, das sich insbesondere an Steuerberater, Steueranwälte und Wirtschaftsprüfer richtet. Es erscheint in einer monatlichen Auflage von 22.000. Die dargestellten Zitate entstammen dem Topthema "Gläserner Steuerbürger. Belauscht, beschnüffelt, beobachtet", in dem die zahlreichen Maßnahmen des Fiskus der vergangenen Jahre, sich mehr Kontrollmöglichkeiten über den Steuerbürger zu verschaffen, ausführlich dargestellt werden. Der Artikel stammt aus dem Heft 7-8/2005. "Consultant" erscheint in der Haufe Mediengruppe in Freiburg, einem der bundesweit größten Medienhäuser im Bereich Wirtschaft, Steuern und Recht.
Weitere Informationen:
Udo Reuß, Chefredakteur "Consultant", Rudolf Haufe Verlag, Hindenburgstr. 64 79102 Freiburg Tel.: 07 61 / 36 83-213 Fax: 07 61/ 36 83-820-213 E-Mail: udo.reuss@haufe.de www.consultant-magazin.de, www.haufe.de
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