Studie: Investorengeführte Praxen rechnen höhere Kosten ab
Hamburg (ots)
Arztpraxen im Besitz von Finanzinvestoren rechnen offenbar systematisch höhere Preise für die Behandlung von Patientinnen und Patienten ab. Das zeigt eine aktuelle Studie des IGES Institut, die die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) in Auftrag gegeben hat. Die Studie liegt dem ARD-Magazin "Panorama" (NDR) und dem BR exklusiv vor.
Die Forscher haben Daten aus Arztpraxen von sieben verschiedenen Fachrichtungen in Bayern aus den Jahren 2018 und 2019 analysiert. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass in Praxen, die Finanzinvestoren gehören, höhere Honorare in Rechnung gestellt wurden. Das abgerechnete Honorar pro Behandlungsfall lag demnach um mehr als 10 Prozent höher, als es bei gleicher Patientencharakteristik, gleichen Vorerkrankungen und gleichem Behandlungsanlass in einer Einzelpraxis zu erwarten gewesen wäre. Auch im Vergleich mit anderen Praxisverbünden, die nicht im Besitz von Investoren sind, zeigt sich demnach ein deutlicher Unterschied.
Die höheren Honorare sind laut der Studie "allein auf das Merkmal der Eigentümerschaft zurückzuführen". Die Autoren sehen damit die Ergebnisse als Beleg für die These, dass sich Praxen, die Finanzinvestoren gehören, stärker an ökonomischen Motiven ausrichten.
Anlass für die Studie sei gewesen, dass immer mehr Arztpraxen von Finanzinvestoren gekauft würden. Vielfach sei das aufgrund komplexer gesellschaftsrechtlicher Konstruktionen nicht ohne weiteres zu erkennen. Eigentlich untersagt ein Gesetz aus dem Jahr 2012, dass fachfremde Investoren Arztpraxen betreiben. Damit sollte verhindert werden, dass Kapitalinteressen medizinische Entscheidungen beeinflussen. Doch Investoren dürfen weiterhin Krankenhäuser kaufen, die dann wiederum Praxen in Form von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) betreiben können. Ursprünglich waren diese Zentren als fachübergreifende Einrichtungen gedacht, doch seit 2015 darf ein MVZ auch nur aus Mediziner*innen einer Fachrichtung bestehen - etwa wahlweise nur aus Radiolog*innen oder Gynäkolog*innen oder Zahn- oder Augenärzt*innen. Mittlerweile haben Finanzinvestoren wohl weit mehr als tausend Praxen in Deutschland erworben. Genaue Daten gibt es dazu allerdings nicht.
Man sehe deutlich, dass immer mehr Praxen von internationalen Investoren gekauft würden, sagt Wolfgang Krombholz, Vorstand der KVB. Er habe Bedenken, dass sich das Gesundheitssystem nur noch an den Verdienstmöglichkeiten orientiere, wenn nicht bald etwas dagegen getan werde. "Uns ist wichtig, dass erkannt wird, welche Entwicklung im Augenblick läuft", sagt Krombholz. "Und dass es für die Zukunft begrenzt wird."
Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Bundesländer haben im vergangenen November einen gemeinsamen Beschluss gefasst. Der stetig steigende Anteil investorengetragener Praxen an der Versorgung werde mit "wachsender Sorge zur Kenntnis genommen", heißt es darin. Die Ministerinnen und Minister fordern, mehr Transparenz zu schaffen, und bitten das Bundesgesundheitsministerium, eine Gesetzesinitiative zu veranlassen, um den Aufkauf weiterer Praxen zu beschränken.
Auf Anfrage von "Panorama" teilte das Bundesgesundheitsministerium jedoch mit, eine solche Beschränkung sei rechtlich schwierig. Allein die Feststellung einer Zunahme investorengeführter Praxen reicht dafür aus Sicht des Ministeriums nicht aus.
Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sieht allerdings die aktuelle Studie der KVB als Anlass, die Debatte darüber zu führen. Das Gutachten biete eine Datenbasis - und solle auch genutzt werden. "Wir schauen uns das an, wo Fehlentwicklungen sind, und werden dann handeln", sagte Holetschek im Interview mit NDR und BR.
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