Gesundheit in Deutschland 2003: Steigende Tendenz zur Selbstbehandlung
Köln (ots)
Auch nach dem kürzlich gefundenen Reformkompromiss befindet sich das deutsche Gesundheitswesen weiter im Umbruch. Auch die Gesundheitsmentalität und das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung haben sich im Gefolge anhaltender gesundheitspolitischer Diskussion um steigende Gesundheitskosten und die Notwendigkeit verstärkter Eigenverantwortung und Eigenbeteiligung der Bürger teils deutlich verändert.
Dies zeigt die Studie "Health Care Monitoring 2003", die das Kölner Marktforschungs- und Beratungsinstitut psychonomics AG als Längsschnittstudie in Kooperation mit der Consodata Marketing Intelligence GmbH aus München jetzt vorgelegt hat. Über 2.000 Bundesbürger wurden repräsentativ zu ihren Einstellungen zum Thema Gesundheit und zu ihrem Gesundheitsverhalten befragt:
Danach halten sich mittlerweile 57% der Bevölkerung, was medizinische Sachverhalte betrifft, für sehr gut informiert. Der Anteil derer, die gleich zum Arzt gehen, wenn sie spüren, dass sie krank werden, sank zwischen 1998 und 2003 von 56% auf 46%. 72% der Deutschen sind zudem der Meinung, am besten selbst zu wissen, was ihnen im Erkrankungsfall hilft (1998: 62%). Gleichzeitig verringert sich der Anteil derer, die einen Gesundungsprozess ohne Medikamenten- einnahme abwarten, von 47% auf 41%; der Griff zu verschriebenen oder rezeptfreien Medikamenten (Schmerzmittel, Beruhigungs-/ Schlafmittel, Erkältungs-/Hustenmittel, Magen-/Verdauungsmittel, Antiallergika, Rheumamittel, Aufbau-/Stärkungsmittel) nimmt also erkennbar zu. 55% der Bundesbürger geben an, sich bei Beschwerden zunächst mit rezeptfreien Medikamenten selbst zu helfen; krank zu sein, bedeutet also längst nicht mehr automatisch den Gang zum Arzt. 50% lassen sich vor der Einnahme rezeptfreier Medikamente von ihrem Arzt beraten. 56% verzichten bei kleineren Beschwerden gänzlich auf einen Arztbesuch und lassen sich vom Apotheker beraten. Eine ergänzende Apothekerbefragung bestätigt den gestiegenen Beratungsbedarf der Bürger. Als bevorzugte Informationsquelle für spezielle Krankheitsbilder, Behandlungsmethoden und Arzneimittel liegt der Arzt bei den Deutschen mit 67% aber weiterhin vorn (zum Vergleich: Internet 15%).
Eingekauft werden rezeptfreie Medikamente von 90% der Bevölkerung in der Apotheke, für Wege jenseits von "Arzt und Apotheker" wie Drogeriemärkte (27%), Reformhäuser (19%) und Supermärkte (11%) zeigt sich aber ebenfalls erkennbare Akzeptanz. 33% können sich - um Geld zu sparen - zudem die zukünftige Bestellung von Medikamenten über Internetapotheken vorstellen. Die ausschließliche Preisorientierung beim Kauf rezeptfreier Medikamente nimmt aber ab (von 60% auf aktuell 52%). Das Ausgabevolumen für freiverkäufliche OTC-Präparate für den persönlichen Gebrauch liegt bei 6,70 Euro pro Kopf.
Im Hinblick auf die Art der eingenommenen Medikamente nimmt die Skepsis gegenüber Generika von 52% auf 47% ab; insgesamt scheint das Markenbewusstsein bei Medikamenten zu sinken. Der Anteil derer, die - wo immer es geht - Naturheilmittel im Rahmen ihrer Behandlung vorziehen, steigt von 51% auf 60%.
Insgesamt ist den Deutschen ihre Gesundheit ein wichtiges Gut: 83% geben an, dass es ihnen Spaß macht, aktiv etwas für ihre Gesundheit zu tun und 71% sind bereit, dafür auch etwas tiefer in die Tasche zu greifen. 76% sind mit ihrem derzeitigen Gesundheitszustand weitgehend zufrieden. Aber es gibt auch Unterschiede: So ließen sich im Rahmen des "Health Care Monitoring 2003" insgesamt sechs unterschiedliche Gesundheitstypen in der Bevölkerung identifizieren: "Informiert-Körperbewusste" (16%), "Risikoscheue Arztorientierte" (21%), "Gesunde Kraftprotze" (20%), "Unkritisch- Wehleidige" (17%), "Kostenbewusste Arztgänger" (16%) und "Desinteressiert-Unbekümmerte" (11%).
Fazit: Es zeigt sich eine steigende Tendenz zur Medikation und vor dem Hintergrund reduzierter Zugangsschwellen im OTC-Markt auch zur Selbstmedikation der Bürger. Der medizinische Wissensstand wächst, gleichzeitig erscheint der Beratungsbedarf hoch. Insgesamt haben die Deutschen die häufig geforderte Autonomie in Sachen Gesundheit ausgebaut - ein Umstand, der nicht frei von Nebenwirkungen auf die übrigen Akteure im Gesundheitswesen bleiben wird.
Studienleitung: Anja Schweitzer Tel.: 0221-42061-0 Mail: anja.schweitzer@psychonomics.de
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