Kölnische Rundschau: Kommentar zur Karfreitagsfürbitte für die Juden
Köln (ots)
Grob missverständlich
RAIMUND NEUSSzur Karfreitagsbitte für die Juden
Die Osterzeit wird durch eine Panne im Vatikan über schattet. Papst Benedikt XVI., der mehr als jeder andere le bende christliche Theologe für den christlich-jüdischen Dialog getan hat, verletzt die Gefühle von Juden ohne Not. Worum geht es? Früher beteten Katholiken am Karfreitag "für die Bekehrung" der "treulosen Juden". Heute beten sie aus gu tem Grund nur noch "für die Ju den": "Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will." Diese unproblematische Formulierung wählten gestern der Papst selbst und hundert tausende Priester. Wäre es nur dabei geblieben! Es gibt nämlich eine Ausnah me. Eine Minderheit zelebriert die Karfreitagsliturgie nach der vorkonziliaren Fassung. Für die se Fälle und nur für sie hat der Papst dieses Jahr einen ande ren Wortlaut angeordnet: Gott möge die Herzen der Juden er leuchten, "damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland aller Menschen". <$30> Initial über 2 Zeilen <$19>W<$0>arum nur diese Formulie rung? Sie ist missver^ ständ^lich. Sie könnte im Sinne einer Judenmission gedeutet werden, die die katholische Kir che aber nicht betreibt. Die Bit te um "Bekehrung" war ja ge strichen worden und bleibt ge strichen. Aber man muss den neuen Text genau lesen, um zu verstehen, dass er kein Missi onsaufruf ist. Dass die Juden "Christus erkennen", ist ledig lich das Ziel, zu dem Gottes "Ratschluss sie führen will" - spätestens am Ende aller Tage. Das ergibt sich aus dem 11. Kapitel des Römerbriefes. <$30> Initial über 2 Zeilen <$19>A<$0>ber um Himmels willen: Solche Exegese mag in ei ner Predigt gelingen, jedoch nicht zugespitzt an jener Stelle der Liturgie, die mehr als alle anderen die Wunden berührt, die Christen dem jüdischen Volk zugefügt haben. Haben beim Papst theologische Fines sen über historische Erfahrung gesiegt? Oder kam er einer ver biesterten Minderheit entge gen, die der Bitte für die "treu losen" Juden nachtrauert und deshalb Traditionalisten auf den Leim geht? So oder so: Der Papst sollte die Größe zeigen, seinen Fehler zu korrigieren
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