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Kölnische Rundschau: Preis der Macht

Köln (ots)

CLAUDIA LEPPING
Drei Jahre nach dem Ausscheiden
aus der rot-grünen Regierungsverantwortung
setzen sich die Grünen wagemutig
vom Kurs der politischen
Mitte ab. Ihr Nein zur Atomenergie
 war über Jahrzehnte
originäre Daseinsberechtigung;
und auch heute, wo die einschlägige
Lobby Atomenergie
unter dem Label Klimapolitik
verkauft, sind die Grünen die
einzige Partei der Widerstands-
Renaissance. Vom Beitrag zur
Reformagenda 2010 will die
Partei ebenfalls nicht mehr viel
wissen; der Druck der Basis
wächst, der Linkspartei das
Feld der Sozialromantik nicht
komplett zu überlassen. Und
von dem früheren olivgrünen Ja
zu Friedenseinsätzen der Bundeswehr
ist auch nicht viel geblieben.
Je radikaler, desto interessanter,
desto besser? Auf ihrem Erfurter
Parteitag beschlossen
die Grünen, den gesamten
Strombedarf Deutschlands bis
2030 aus erneuerbaren Energien
zu erzeugen. So klingt der
neue Öko-Radikalismus; von jedem
Zweifel, ihn umsetzen zu
können, ungetrübt.
Cem Özdemir ist gerade erst
gewählt. Der bekennende Realpolitiker
wird es schwer haben.
Die erste Ohrfeige setzte es, als
ihm die Südwestgrünen ein
Bundestagsmandat verweigerten.
Derart geschwächt stößt er
zu einer Zeit an die Parteispitze
vor, an der sein Realo-Kurs an
der Basis nicht gut ankommt,
er aber in Berlin das grüne Profil
schärfen will. Schwarz-Grün
oder Jamaika mit der FDP auf
Bundesebene sind in weite Ferne
gerückt. Nicht nur, weil die
Liberalen sich verweigern, sondern
eben auch, weil die Grünen
sich von der Mitte wegzubewegen
scheinen.
Die Grünen befinden sich in
der dritten Phase ihrer Geschichte.
Am Anfang war der Kampf darum,
überhaupt relevant zu werden.
Als sie praktikable Politik anboten
und in Koalitionen zu verlässlichen
Partnern wurden, kamen sie in
Regierungsverantwortung. Heute
geht es darum, die Gesellschaft
auf ein Bündnis aus Ökonomie,
Ökologie, Bildung und Demokratie-Teilhabe
einzuschwören, um den weltwirtschaftlichen
Kapriolen zu trotzen. Hierbei
müssen sich die Grünen davor
hüten, einem neuen Fundamentalismus
zu frönen. Denn der hätte einen hohen
Preis - den Preis der Macht.
Özdemir also muss die Grünen
programmatisch aufforsten.
Dabei trifft er auf einen Realo-Fügel,
der so schwach ist wie
lang nicht mehr. Und auf einen
linken Flügel, der nur darauf
wartet zu prüfen, ob Özdemir
es aufnehmen kann mit ihrem
Helden, Jürgen Trittin. Dessen
fulminanter Auftritt zeigte die
Machtverhältnisse: Die Partei
ist so radikal und links wie lang
nicht mehr.

Pressekontakt:

Kölnische Rundschau
Jost Springensguth
print@kr-redaktion.de

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