Kölnische Rundschau: Zur Archiv-Katastrophe in Köln
Köln (ots)
Die Schockstarre, die Köln am Dienstag erfasst hat, hält an. Der Einsturz des Stadtarchivs ist eine Katastrophe, die wahrscheinlich nicht nur zwei Menschenleben ausgelöscht hat, sondern von Tag zu Tag zusätzlich zum menschlichen Leid in den Dimensionen des ideellen und materiellen Schadens ins Unermessliche wächst. Was auch immer in Policen steht: Das alles ist nicht zu ersetzen; oder im Versicherungsdeutsch ausgedrückt, nicht regulierbar. Trotz eines vorbildlichen Einsatzes aller Retter und Helfer, der großen Solidarität von angereisten Archivaren, Restauratoren und Technikern, spüren alle Betroffene und Beteiligte zusammen mit der ganzen Stadt eine bedrückende Hilflosigkeit. Der Katastrophe im Erdreich folgte das verheerende Wasser, das der Himmel auf die Unglückstätte ausgoss. Man kommt einfach nicht voran. Sie alle sind enttäuscht vom mangelnden Fortschritt. Dennoch ist es beeindruckend, wie sich die Helfer nicht entmutigen lassen. Die Wahrnehmung der Dimensionen der historischen und kulturellen Zerstörung ist schleppend. Man denkt an die letzte Kulturkatastrophe in Weimar. Der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek hat spontan eine besonders emotionale Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Darüber nachzudenken, wie es in Köln weitergeht, ist sicher verfrüht. Es ist auch noch nicht annähernd der Schaden einzuordnen. Aber es ist kaum denkbar, dass nach fünf Jahren hier wie in Weimar der Bundespräsident erscheinen und ein saniertes Stadtarchiv eröffnen wird. Es ist zwar kein historisches Gebäude, doch was in Köln noch in Schutt und Feuchtigkeit liegt, übersteigt alle kulturellen Verluste in Friedenszeiten. Köln wird alles tun, um seine Schätze zu retten. Es sollte aber auch eine nationale Aufgabe sein. Besuch und Zusagen des Ministerpräsidenten war das Mindestmaß an gebotener Solidarität. So angestrengt das politische Tagesgeschäft in Berlin auch sein mag, es wird Zeit, dass wenigstens der zuständige Kulturstaatsminister, besser noch die Kanzlerin, sichtbare Zeichen an der Stelle des furchtbaren Geschehens setzen. Natürlich geht sofort die Suche nach Ursachen und Versäumnissen los. Die spontan unter dem Eindruck des Geschehens vom Oberbürgermeister aufgebrachte Frage nach einem Stillstand an der U-Bahn-Baustelle oder grundsätzliche Zweifel an solchen Bauten unter besiedelten Flächen können nicht tragen. Es muss Fehler in der geologischen Analyse im Zusammenhang mit Planung und Berechnungen gegeben haben. KVB, Bauaufsicht, Planer und sollten besser nicht von einem "unkalkulierbaren Wassereinbruch" reden bevor feststeht, was passiert ist. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die juristische und materielle Schadens^regulierung erfolgt sein kann. Das wird das Problem der Nutzer umliegender Gebäude werden. Sie darf man nicht noch zusätzlich mit langatmigen Verfahren quälen.
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