Kölnische Rundschau: Kölnische Rundschau Kommentar zur Neuverschuldung
Köln (ots)
Kredit-Junkies
RAIMUND NEUSSzur Neuverschuldung
Hundert Milliarden Euro Netto-Neuverschuldung. Eine Eins mit elf Nullen. Ein so unfassbar hoher Betrag, dass man ihn sich nur vorstellen kann, wenn man ihn auf alle Einwohner Deutschlands umlegt: Jeder, vom Baby bis zum Greis, wird 2010 rechnerisch mit über 1200 Euro neuen Schulden des Bundes belastet.
Finanzminister Wolfgang Schäuble, der diese Zahl gestern präsentierte, hat sie von seinem Vorgänger übernommen und wird sie ähnlich begründen: Einnahmeausfälle durch die Folgen der Finanzkrise, Gegensteuern durch Investitionen und Steuersenkungen. So finanziert Schäuble fast ein Drittel des Bundeshaushalts einschließlich Schattenbudgets durch neue Schulden - und das im Jahr 2010, in dem die vierthöchsten Steuereinnahmen der deutschen Geschichte zu erwarten sind.
<$19>G<$0>ewiss wäre ein Vierteljahr nach der Bundestagswahl ein abrupter Bruch mit der alten, schwarz-roten Finanzpolitik weder machbar noch konjunkturpolitisch zu vertreten. Aber Schäuble lässt nicht einmal einen Ansatz zum Umsteuern erkennen. Im Gegenteil: Mit einem auf Pump finanzierten "Wachstumsstärkungsgesetz" treibt Schwarz-Gelb die schwarz-rote Schuldenpolitik auf die Spitze. 15,7 Milliarden Euro werden allein in die Krankenkassen gepumpt, ohne dass der neue Gesundheitsminister Philipp Rösler auch nur eine zarte Andeutung machen würde, wie er die durch unsinnige Geldverteilungsmechanismen getriebenen Kosten der Kassen in den Griff bekommen will.
Schwache Konjunktur und Bankenhilfen erklären die neuen Schulden nur zum Teil. Der andere, wichtigere Teil der Erklärung ist die seit den 70er Jahren zu beobachtende Übung, Verteilungskonflikte mit Krediten zu lösen. Das hat die Deutschen zu Kredit-Junkies gemacht. Nicht nur die Politiker, sondern auch alle, die in diesen Tagen ständig weitere "Schutzschirme" für irgendwen und irgendwas verlangen, da doch die Banken Staatsgarantien bekommen haben. Ihnen kann geholfen werden - aber stets auf Pump, zulasten unserer Kinder und Enkel.
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