Kommentar zu Folgen aus Missbrauchgutachten/Köln/Woelki: Der Sturz der Bischöfe
von Raimund Neuß
Köln (ots)
Am Tag 1 nach Gercke ist im Erzbistum Köln ein erstes Nachbeben zu spüren: Auch Ansgar Puff lässt seine Aufgaben vorerst ruhen. So langsam gehen dem Kölner Kardinal die Weihbischöfe aus.Zwei andere deutsche Bischöfe, ein Kölner Weihbischof und ein veritabler Erzbischof, haben den Papst am Vortag um Entbindung von ihrem Amt gebeten. So weit geht Puff nicht. Viele Gläubige, die seinen unkonventionellen Stil schätzen, werden darauf setzen, dass ihm ja nur ein Rechtsverstoß nachgewiesen wurde und nicht deren acht (Dominikus Schwaderlapp) oder gar elf (Stefan Heße). Aber dieser eine Verstoß war gravierend - und abgesehen davon hat sich Puff im Vorfeld durch seine zumindest missverständlichen Äußerungen über Trump, Göbbels und Journalisten unmöglich gemacht. Wie will er glaubwürdig mit Laienvertretern über einen Pastoralen Zukunftsweg sprechen? Drei Bischöfe, einen davon in Hamburg, hat das von Köln ausgehende Beben also bereits erfasst. Das sollte sich vor Augen führen, wer die Vorstellung des Kölner Gutachtens für eine pure Inszenierung, ein Ablenkungsmanöver, gar eine Schmierentragödie hält. Keine andere vergleichbare Untersuchung in einem deutschen Bistum hat derartige Folgen ausgelöst. Und bei Anwendung Kölner Maßstäbe wächst auch der Druck auf den klugen und sympathischen Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der einen schweren Fehler im Fall des trotz zweier Verurteilungen quer durch NRW versetzten Pfarrers A. eingeräumt hat - so bedauerlich das in seinem Fall ist. So viel kinetische Energie, wohlgemerkt, steckt schon in einem Gutachten, das nur eine eng umschriebene Fragestellung aufgriff: die nach Pflichtverletzungen in der kirchlichen Verwaltung. Noch mehr an Energie dürfte freigesetzt werden, wenn die jetzt angekündigte, in ihrer Mehrheit nicht vom Erzbistum besetzte Unabhängige Kommission ihre Arbeit aufnimmt und weitere Fragen stellt.Diese Fragen mögen auch die Struktur der katholischen Kirche, priesterliches Amtsverständnis und Lebensform berühren. Nicht alle Antworten, die jemand wie Kardinal Woelki darauf geben dürfte, werden allgemein befriedigen. In Deutschland herrscht Religionsfreiheit, niemand kann einer Kirche oder einer anderen Religionsgemeinschaft von außen ihre Verfassung vorgeben. Aber ob einem eine Kirchenverfassung gefällt oder nicht, elementare Rechtsnormen sind einzuhalten. Darauf weist das Gercke-Gutachten hin - und deshalb wirkt es gerade wegen seines sachlich eng begrenzten Ansatzes so explosiv.
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