Gefährliche Kurzschlüsse - Raimund Neuß zum Attentat von Würzburg
Köln (ots)
Es sind gute, es sind richtige Worte, die der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt nach dem dreifachen Mord in der fränkischen Stadt gefunden hat: Er habe geweint, schrieb Schuchardt, geweint um die Opfer und ihre Angehörigen - und um seine Stadt: "Weil dieser Kurzschluss, dieses Gleichsetzen so naheliegend ist. Geflüchteter, Zuwanderer, Gewalttäter, Glaubenskrieger und Terrorist - Massaker."
Schuchardts Brief ist ein Aufruf zum Innehalten. Wir würden die schreckliche Tat gern erklären. Parallelen zum islamistischen Anschlag im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld vor fünf Jahren scheinen sich aufzudrängen. Aber in Wirklichkeit wissen wir - noch - sehr wenig. Wie belastbar sind Hinweise auf islamistische Äußerungen? Wählte der mutmaßliche Täter gezielt Frauen als Opfer aus? In welchem Zusammenhang steht all dies mit seiner offensichtlichen psychischen Erkrankung? Welchen Hintergrund hatten frühere gewalttätige Delikte des aus Somalia stammenden Mannes?
Klar ist: Psychische Störungen und Empfänglichkeit für Extremismus schließen einander nicht aus, im Gegenteil. Klar ist auch: So wünschenswert es wäre, potenzielle Gewalttäter früh zu identifizieren - eine offene Gesellschaft stößt hier an Grenzen. Ja, es ist ein Alarmsignal, wenn ein psychisch Kranker immer wieder in Konflikt mit der Justiz gerät. Das war auch bei dem von Wahnvorstellungen getriebenen Rechtsextremisten so, der im Februar 2020 in Hanau neun Menschen ermordete. Aber hier, im Würzburger Fall, hatten Behörden immerhin zur psychiatrischen Zwangsbehandlung gegriffen. Haben sie trotzdem etwas versäumt? Das ist zu prüfen - aber solange kein Ergebnis da ist, kann man nur vor Kurzschlüssen warnen.
Pressekontakt:
Kölnische Rundschau
Raimund Neuß
Telefon: 0228-6688-546
print@kr-redaktion.de
Original content of: Kölnische Rundschau, transmitted by news aktuell