Kommentar Kölnische Rundschau zur Bundestagswahl
Köln (ots)
Köche, Kellner und das Menü
Sandro Schmidt zum Ausgang der Bundestagswahl
Auch nach einer kurzen Nacht der Besinnung ist der Katzenjammer in der Union über das desaströse Wahlergebnis nicht kleiner geworden. Eher im Gegenteil. Versuchte Kanzlerkandidat Armin Laschet am Sonntag Abend noch, in die Offensive zu gehen und den Eindruck zu erwecken, trotz des Absturzes in der Wählergunst schnell mit FDP und Grünen eine Jamaika-Koalition schmieden zu wollen, klang das gestern wesentlich defensiver. "Wir stehen bereit für Gespräche" lautete die im Bundesvorstand abgestimmte Sprachregelung, die für den Parteichef gefährlich werden kann. Denn bekommt er keine Koalition unter seiner Führung zustande, ist Laschets politische Karriere absehbar am Ende. Die Möglichkeit, nach NRW zurückzukehren, hat er sich selbst verschlossen; Fraktionschef soll wohl, so hieß es gestern, Ralf Brinkhaus bleiben; und als einfacher Abgeordneter würde sich Laschet im Amt des CDU-Chefs nicht halten. Auffällig ist: Trotz noch vorhandener Machtoption, die eigentlich die Reihen in der Union vorläufig schließen sollte, ist die teils bereits offene harsche Kritik am Aachener unüberhörbar. Und das nicht nur aus der CSU. Mit wem aber wollen FDP und Grüne ernsthaft sondieren, wenn sie nicht wissen, ob Laschets Wort überhaupt noch Gewicht hat? Nicht wirklich komfortabel ist ebenfalls die Rolle des Wahlsiegers Olaf Scholz. Denn: Zwar ist die SPD für ihre Verhältnisse fast schon sensationell geschlossen durch den Wahlkampf gekommen. Doch der linke Flügel um Parteichefin Saskia Esken, Kevin Kühnert und andere wird jetzt seine vor allem für die FDP kaum verdaulichen Forderungen auf den Tisch legen, sollten die Sozialdemokraten künftig eine Ampelkoalition anführen wollen. Wer kann den Grünen und der FDP also mehr inhaltliche Zugeständnisse anbieten, um sie in eine Koalition zu locken? Laschet oder Scholz? Union oder SPD? Die beiden so ungleichen kleineren Partner haben bereits am Wahlabend angedeutet, dass sie sich zuerst einmal untereinander auf Kernpunkte einer künftigen Regierung verständigen könnten, ehe sie mit den ehemaligen Volksparteien ernsthafte Gespräche aufnehmen und dort ihre Forderungen auf den Tisch legen. Dann gäbe am Ende nicht mehr die Kanzlerpartei das Regierungsprogramm vor, sondern die Juniorpartner. Der letzte SPD-Kanzler Gerhard Schröder konnte den Grünen noch glaubhaft klar machen, wer in der Koalition Koch und wer Kellner war. Diesmal könnten die Kellner das Menü bestimmen. Ein Sinnbild für die Schwäche der ehemaligen Volksparteien. Die Zeiten haben sich geändert.
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