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MUMOK - Museum für moderne Kunst

Gerhard Rühm schenkt dem mumok den Kern seines bildnerischen Vorlasses

Wien (ots)

Bedeutender Sammlungszuwachs anlässlich des Jubiläums 60 Jahre mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien

Gerhard Rühm, Grenzgänger zwischen den Disziplinen Kunst, Literatur, Musik und Performance sowie Mitbegründer der legendären Wiener Gruppe, hat sich dazu entschlossen, dem mumok den Kern seines bildnerischen Werks zu schenken.

Die Vorstellung, das umfangreiche Konvolut wäre nach seinem Tod „aufgelöst und in alle Welt verstreut“ worden, sei für den 92-jährigen Künstler, der 1930 in Wien geboren wurde und seit 1977 überwiegend in Köln lebt, „höchst beunruhigend“ gewesen. Das mumok, das bereits eine Reihe früherer Arbeiten Rühms besitzt und dessen Sammlung Schwerpunkte in den Bereichen Wiener Aktionismus, Wiener Gruppe, Fluxus und Konzeptkunst beinhaltet, hätte sich als Ort „geradezu zwingend angeboten“, wie Gerhard Rühm in einem Gespräch mit mumok Kuratorin Heike Eipeldauer betont. Eipeldauer, die 2017/18 seine umfangreiche Retrospektive im Wiener Kunstforum konzipiert hatte, hat das Konvolut gemeinsam mit dem Künstler ausgewählt.

„In Ergänzung zum musikalischen und literarischen Vorlass, den die Österreichische Nationalbibliothek 2012 erworben hat, ist es damit gelungen, das richtungsweisende Lebenswerk eines der bedeutendsten österreichischen Künstler für die Nachwelt zu sichern“, freut sich mumok Direktorin Karola Kraus.

Rühms grenzüberschreitender, performativer Ansatz, der sich in den frühen 1950er-Jahren im spezifischen kulturellen Umfeld der österreichischen Nachkriegsgesellschaft herausbildete, nimmt in Teilen vorweg, was sich in der Kunst Anfang der 1960er-Jahre als internationale Tendenz durchsetzte und in Strömungen wie Fluxus, Happening oder Conceptual Art manifestierte.

Das rund 1.500 Werke versammelnde Konvolut dokumentiert die Vielfalt des proliferierenden, sechs Jahrzehnte umspannenden bildnerischen Schaffens. Es enthält die wichtigsten Beispiele von Rühms visueller poesie sowie von deren musikalischem Pendant, der visuellen musik. Eine umfangreiche Auswahl aus Rühms repräsentationskritischen fotomontagen ist ebenso Teil des Konvoluts – darunter das Schlüsselwerk in memoriam konrad bayer (1964) – wie seine automatischen, gestischen und konzeptionellen zeichnungen, scherenschnitte, textobjekte sowie tuschmalereien und vertuschungen.

Im Sinne einer laufenden Erweiterung des Konvoluts beinhaltet die Vereinbarung zur Schenkung des Vorlasses auch weitere – historische wie zukünftige – Materialien, die Gerhard Rühm dem mumok zu einem späteren Zeitpunkt schenken wird.

Der Teil-Vorlass wird derzeit in die mumok Sammlung eingegliedert und umfassend dokumentiert, um zukünftig für die wissenschaftliche Auseinandersetzung und museale Präsentation zur Verfügung zu stehen.

Biografie Zunächst studierte Gerhard Rühm, der 1930 in Wien als Enkel eines Schrammelmusikers und Sohn eines Wiener Philharmonikers geboren wurde, an der Wiener Musikakademie und beim Zwölftonkomponisten Josef Matthias Hauer Klavier und Komposition. Anfang der 1950er-Jahre gelangte er über die Auseinandersetzung mit den Kompositionsprinzipien Anton Weberns zur konkreten Poesie, indem er Prinzipien der seriellen Musik auf die Dichtung anwandte. Rühms frühe Lautgedichte reduzieren Sprache, gleichsam am Nullpunkt ansetzend, auf ihre elementaren materiellen Bedingungen, beruhend auf einer tiefen Sprachskepsis angesichts ihres Missbrauchs im Nationalsozialismus. Analog zur visuellen Dimension von Sprache setzt sich Rühm mit ihrer auditiven Dimension auseinander und bezieht Sprachklang und Artikulation – darunter auch Atemgeräusche oder Wiener Dialektlaute – bewusst mit ein.

Im Klima der von einem heute kaum mehr vorstellbaren „ausmaß an reaktionärem muff“ (G. Rühm) geprägten österreichischen Nachkriegszeit gründete Rühm gemeinsam mit Friedrich Achleitner, H.C. Artmann, Konrad Bayer und Oswald Wiener die von etwa 1954 bis 1964 aktive „Wiener Gruppe“. Die beiden literarischen cabarets (1958/1959) der Wiener Gruppe, die in der Zertrümmerung eines Klaviers, dem Symbol bürgerlicher Bildungskultur, durch Rühm und Achleitner gipfelten, folgen der Idee eines totalen Theaters und zählen zu den ersten Happenings der Kunstgeschichte.

Rühms Arbeiten, die vor allem von der Christine König Galerie in Wien vertreten werden, wurden ab 1958 in internationalen Ausstellungen gezeigt, darunter auf der documenta 6 (1977) und der documenta 8 (1987) und zuletzt in drei großen Retrospektiven in der Neuen Galerie/Bruseum, Graz (2015/16), im Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe (2017) und im Bank Austria Kunstforum, Wien (2017/18). Rühms Werke befinden sich im Besitz von wichtigen öffentlichen und privaten Sammlungen, u. a. im Stedelijk Museum, Amsterdam, MACBA, Barcelona, Universalmuseum Joanneum, Graz, Museum Ludwig, Köln, Muzeum Sztuki, Lodz, Reina Sofia, Madrid, Museum of Modern Art, New York, Sammlung Generali Foundation, Salzburg, Belvedere, Wien, mumok, Wien, ZKM, Karlsruhe. Von 1972 bis 1995 lehrte Rühm an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Gemeinsam mit seiner Frau Monika Lichtenfeld, die auch Partnerin seiner Sprechperformances ist, gibt Rühm seine „Gesammelten Werke“ heraus (zunächst bei Parthas Berlin, danach bei Matthes & Seitz Berlin) und arbeitet aktuell an Band 12.

Ein Gespräch zwischen Gerhard Rühm und mumok Kuratorin Heike Eipeldauer finden Sie hier.

Termin: Mittwoch, 21. September 2022, 10 - 21 Uhr OPEN HOUSE freier Eintritt

Pressekontakt:

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
Katharina Murschetz (Leitung), Katharina Kober
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
T +43-1-52500-1400, 1309
presse@mumok.at
www.mumok.at

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