Altersforscher Andreas Kruse: "Wir müssen sehr viel mehr in eine gute Pflege investieren"
KDA-Chef Helmut Kneppe: Wegkommen vom Gedanken "Pflegebedürftigkeit gleich Heim"
Berlin (ots)
Berlin. Der Altersforscher Andreas Kruse, seit Jahren als Vorsitzender der Altersberichtskommission verantwortlich für die Altersberichte der Bundesregierung, mahnt mehr Investitionen in die Pflege an. Kruse sagte der "Heilbronner Stimme": "Wir geraten nicht in einen Pflegenotstand, in einzelnen Regionen befinden wir uns schon in diesem." Und er fügte hinzu: "Unsere Gesellschaft muss lernen: eine gute Pflege ist für die Versorgung chronisch kranker Menschen genauso wichtig wie eine gute Medizin. Bei einem Blick in die Zukunft müssen wir darauf achten, dass die Versorgung zwei zentrale Komponenten umfasst: eine leistungsfähige Medizin, eine leistungsfähige Pflege - zwei Komponenten, die eng aufeinander bezogen sind. Aus diesem Grunde müssen wir sehr viel mehr in eine gute Pflege investieren, damit Pflegefachpersonen die Potenziale der Pflege vollumfänglich verwirklichen können."
Laut dem am Mittwoch vorgestellten Barmer-Pflegereport droht sich die Personalnot in der Pflege dramatisch zu verschärfen. Bis zum Jahr 2030 sollen demnach bei konservativen Annahmen mehr als 180.000 Pflegekräfte fehlen, auch weil es mit dann insgesamt rund sechs Millionen Pflegebedürftigen über eine Million Betroffene mehr geben wird als bisher angenommen.
Helmut Kneppe, Vorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, sagte der "Heilbronner Stimme" mit Blick auf die Finanzierung von Pflege: "Schon heute liegt der Betrag, den Menschen aufbringen müssen, die in einer Einrichtung der Langzeitpflege betreut werden, bei durchschnittlich rund 2100 Euro - und das jeden Monat. Die Ampel-Koalition will die Eigenanteile begrenzen. Das ist auch dringend notwendig. Konkret brauchen wir den schon lange geforderten Sockel-Spitze-Tausch. Das heißt, dass Pflegebedürftige künftig einen Grundbetrag aus eigener Tasche zahlen, und die Pflegeversicherung die übersteigenden Kosten übernimmt."
Kneppe sagte weiter: "Ganz grundsätzlich sollten wir zwei Aspekte gesellschaftspolitisch entscheiden: Ist die Finanzierung von Gesundheit und Pflege aus einem solidarischen Beitragssystem heraus vereinbar mit Gewinnmaximierung zulasten der Solidargemeinschaft? Und: Wir sollten wegkommen von dem Gedanken "Pflegebedürftigkeit gleich Heim". Viel wertschätzender wäre doch, wenn es Staat und Gesellschaft finanziell und organisatorisch ermöglichen, dass pflegebedürftige Menschen in ihrem Zuhause versorgt werden können und ihr Lebensumfeld nicht verlassen müssen. Dazu benötigen wir mutiges Umdenken und bei der Gestaltung, Finanzierung und Umsetzung mehr demokratische Elemente."
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