amnesty international legt Bericht vor: Osttimor: Rechtssystem in Gefahr
Bonn/Berlin (ots)
Bitte beachten Sie die Sperrfrist 27. Juli 2001, 16.00 Uhr
UN haben Mission nur unzureichend erfüllt / Fortschritte beim Aufbau eines Strafgerichtswesens bleiben weit hinter den Erwartungen zurück / Sonderermittlungseinheit zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen kommt nur langsam voran
Wenige Monate, bevor das Mandat der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Osttimor (UNTAET) endet, wird deutlich, dass die UN ihre Mission nur unzureichend erfüllt. Darauf verweist die Menschenrechtsorganisation amnesty international heute in ihrem neuen Bericht East Timor: Justice past, present and future. "Die Sicherung von Recht und Ordnung ist auch weiterhin nicht gewährleistet und die Fortschritte beim Aufbau eines funktionierenden Strafgerichtswesens bleiben weit hinter den Erwartungen zurück", kritisiert Gisela Ruwe, Osttimor-Expertin von amnesty international. Dem Justizpersonal fehlen notwendige Unterstützung und Weiterbildung, um fehlende Erfahrung auszugleichen. "Die UN-Verwaltung verfehlte bislang das Ziel, die Menschenrechte als Herzstück des neuen Staates zu etablieren", so Gisela Ruwe.
So wird Beschuldigten häufig das Recht auf ein faires Verfahren vorenthalten. Einigen Untersuchungshäftlingen verweigerte man wochen- oder sogar monatelang den Kontakt zu einem Pflichtverteidiger, andere Verdächtige wurden über ihre Haftzeit hinaus fest gehalten oder auf der Grundlage von Rechtsvorschriften verhaftet, die internationalen Menschenrechtsstandards widersprechen.
Daneben entsteht in Osttimor offensichtlich derzeit ein Zwei-Klassen-Rechtssystem: Personen, die wichtige Posten inne haben, nutzen ihre Beziehungen, um sich der Justiz zu entziehen. So dokumentiert der Bericht Fälle, in denen wenig oder gar nichts gegen verdächtige Kriminelle unternommen wurde, die in Verbindung zu politischen Parteien, zu Politikern oder kirchlichen Würdenträgern stehen.
"Ein Mangel an Vertrauen in formale Gerichtsverfahren trägt dazu bei, dass auf alternative Rechtsformen gesetzt wird. Das wirkt sich sowohl auf die Rechte der Opfer als auch die der Verdächtigen nachteilig aus", fürchtet Gisela Ruwe.
In einem Fall wurde eine Frau aus dem Maliana District, die aussagte, 1998 und 1999 über mehrere Monate hinweg wiederholt von einem Regierungsbeamten vergewaltigt worden zu sein, gezwungen, eine finanzielle "Entschädigung" von dem Täter anzunehmen unter der Auflage, ihren Fall nicht der Polizei zu melden.
Auch die Arbeit der Sonderermittlungseinheit zur Untersuchung der schweren Menschenrechtsverletzungen, die Mitglieder der pro-indonesischen Milizen und Angehörige der indonesischen Sicherheitskräfte im Jahr 1999 begangen haben, kommt nur langsam voran. Die Recherchearbeit leidet unter unzureichenden finanziellen Mitteln, zu wenig erfahrenen Experten und fehlender politischer Unterstützung. Darüber hinaus hat Indonesien bislang seine Zusage nicht erfüllt, mit der Übergangsverwaltung zusammenzuarbeiten und Personen, die verdächtigt werden, an Menschenrechtsverbrechen beteiligt gewesen zu sein, vor Gericht zu bringen.
Obwohl derzeit in Osttimor einige Prozesse gegen Milizangehörige stattfinden, ist es unwahrscheinlich, dass das Ziel der Übergangsverwaltung erreicht wird, bis zum Ende dieses Jahres in zehn Fällen Anklage zu erheben. Nachforschungen in mehreren hundert Fällen von politischem Mord, Vergewaltigung, Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden voraussichtlich nicht abgeschlossen sein, bis die Übergangsverwaltung der UN Osttimor verlässt.
amnesty international fordert, dass auch nach Ablauf des UN-Mandats am 31. Januar 2002 die Menschenrechte in der weiteren Planung der UN eine Rolle spielen müssen: "Falls die Vereinten Nationen sich zurückziehen, ohne das Rechtssystem und andere wichtige Institutionen weiterhin zu unterstützen, setzen sie die Bemühungen der vergangenen zwei Jahre aufs Spiel", mahnt Gisela Ruwe. "Die UN versagen dann bei ihrer vorrangigen Aufgabe: Sicherzustellen, dass der neue Staat von Osttimor von Anfang an die Menschenrechte schützt und fördert."
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