Bayerisches Fernsehen
Sonntag, 19. Juni 2005, 22.15 Uhr
Reportage am Sonntag
Welt der Walz
Handwerksgesellen auf
Wanderschaft
Reportage von Julia Schlegel und Eckhart Querner
München (ots)
Sie tragen ihre zünftige Kleidung: den schwarzen Zylinder, Schlapphut oder 'Koks', das kragenlose Hemd, genannt "Staude", die Samt- oder Manchesterweste und -hose und eine Art Krawatte, die schwarze Ehrbarkeit: Handwerksgesellen auf der Walz.
Andreas ist Zimmerergeselle aus dem Bayerischen Wald und hat sich entschlossen, auf die Walz zu gehen. Drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft sein, und an jedem Ort nur ein paar Wochen blei-ben, seiner Heimat nicht näher als 50 Kilometer kommen dürfen - das alles verlangt einen besonderen Schlag Mensch und hat einen ungeheuren Reiz: immer mehr junge Männer entschließen sich, auf die Walz zu gehen, für ein paar Jahre das geordnete Leben mit der großen Freiheit zu tauschen. Zwischen 3.000 und 4.000 Gesellen sollen heute auf der Walz sein. Sie kommen aus verschiedenen Berufen des Bauhandwerks. Sie sind Maurer, Zimmerer, Schreiner, Steinmetze oder Dachdecker. Früher galt: Nur wer auf der Walz war, konnte Krauter werden, also den Meistertitel tragen. Noch heute gilt: Losziehen darf nur, wer männlich, unverheiratet und unter 30 ist, einen Gesellenbrief, keine Schulden und keine Vorstrafen hat. Um jedoch in eine altehrwürdige Gesellschaft wandernder Gesellen wie die "Recht- schaffenen Fremden Gesellen" aufgenommen zu werden, muss Andreas zu aller erst eine rituelle Handlung überstehen, bei der auch ein wenig Blut fließt.
Die Autoren haben Andreas sowie Philipp, Carlos und Tom ein Stück ihres Weges durch Bayern begleitet. Philipp ist Maurergeselle aus dem Rheinischen, Carlos Landschaftsgärtner aus der Lüneburger Heide und Tom hat die Tippelei schon hinter sich. Er war sechs Jahre auf der Walz und sein Weg führte ihn bis nach Namibia. Jetzt, auf seinen Baustellen in und um Straubing wird der Maurermeister schon mal sentimental, wenn die wandernden Gesellen bei ihm nach Arbeit fragen und von ihren Erlebnissen erzählen. Jedes Jahr nimmt er sich vor wieder loszuziehen, in die Fremde, und wenn es nur ein paar Wochen wären.
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