Massive Sicherheitslücken in Bundeswehrkasernen
Verdeckt gedrehte Aufnahmen belegen mangelhafte Kontrollen
"Report Mainz", heute, 4. Juli 2011, 21.45 Uhr im Ersten
Mainz (ots)
Die Bundeswehr hat massive Sicherheitsprobleme in ihren Kasernen. Das zeigen verdeckt gedrehte Aufnahmen aus der vergangenen Woche, die das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" am heutigen Montag, 4. Juli 2011, um 21.45 Uhr im Ersten ausstrahlt. Die Bilder belegen, dass sich Unbefugte mit alten, ungültigen und manipulierten Papieren problemlos Zugang zu mehreren Kasernen der Bundeswehr verschaffen und sich frei in hochsensiblen Sicherheitsbereichen und Sperrzonen bewegen konnten. Die Männer hatten unter anderem freien Zugang zu Kampfhubschraubern, Schützenpanzern und Waffensystemen, konnten Soldaten ausfragen und ungehindert vertrauliche Dokumente in Büros einsehen.
Konfrontiert mit den Aufnahmen musste das Bundesverteidigungsministerium gegenüber "Report Mainz" Versäumnisse einräumen: Die dokumentierten Zustände verstießen eindeutig gegen die entsprechenden Dienstvorschriften (ZDV 10/6) der Bundeswehr. "Menschliches Versagen" könne in Einzelfällen nicht ausgeschlossen werden. Wörtlich teilte das Verteidigungsministerium mit: "Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Vorgang durch die Bundeswehr sehr ernst genommen und einer vertiefenden Überprüfung unterzogen wird." Weiter heißt es in der schriftlichen Stellungnahme: "Ob aus dem dargestellten Fall Rückschlüsse zu ziehen sind, die auf grundsätzliche Ausbildungsmängel schließen lassen, bedarf der weiteren Prüfung."
Die Wehrexperten von SPD und Grünen im Bundestag zeigten sich entsetzt über die in den Aufnahmen dokumentierten Sicherheitslücken. Omid Nouripour, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen, sagte: "Es ist brandgefährlich, dass Nichtautorisierte einfach so in eine Kaserne kommen und damit in einen geschützten Sicherheitsbereich." Die Bilder zeigten, dass die Kontrollen versagten und die Sicherheit der Kasernen nicht mehr gegeben sei. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, erklärte nach Ansicht der Aufnahmen: "Es ist erschreckend, wie leichtfertig das Wachpersonal mit der Sicherheit bei der Bundeswehr umgeht, und natürlich macht uns dies Sorge." Nouripour und Arnold fordern gegenüber "Report Mainz" jetzt eine umfassende Überprüfung der Sicherheitskontrollen in allen Bundeswehrkasernen in Deutschland. Nouripour betonte: "Die Beispiele sprechen eine klare Sprache: Hier wird die Kontrolle extrem vernachlässigt, so geht es nicht." Sein SPD-Kollege Arnold sagte im Interview: "Wenn ich die Beispiele sehe, muss ich sagen, es gibt ganz eindeutig Sicherheitslücken, und das Verteidigungsministerium muss jetzt feststellen, was man verbessern kann und was das kostet. Es gibt sicher eine große Übereinstimmung im Verteidigungsausschuss, dass an der Sicherheit der Menschen in der Bundeswehr nicht gespart werden darf."
Auch der ehemalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) zeigte sich gegenüber "Report Mainz" erschrocken darüber, wie einfach Unbefugte in Kasernen eindringen können: "Nach meiner Auffassung hat die Bundeswehr insgesamt offensichtlich noch nicht kapiert, dass die Bewachung von Bundeswehrliegenschaften allererste Priorität und das Augenmerk aller Verantwortlichen haben muss, seitdem es Al Kaida gibt und seitdem Terroristen alle Schlupflöcher irgendwann nutzen werden, um ihre Aktivitäten zu entfalten." Robbe erklärte, die Aufnahmen bereiteten ihm große Sorgen: "Erschreckend ist die Tatsache, dass bei den Betroffenen, die in den Aufnahmen zu sehen sind, offensichtlich kein Bewusstsein vorhanden ist mit Blick auf die tatsächliche Gefahrensituation. Ebenso erschreckend ist für mich, dass Soldatinnen und Soldaten, die so etwas sehen, sich fragen müssen, ob sie eigentlich in ihren Kasernen noch sicher sind." Er forderte den Verteidigungsminister zum raschen Handeln auf. "Wenn man diese Bilder sieht, muss man annehmen, dass es hier große Lücken gibt, und jetzt geht es darum, diese Lücken ganz schnell zu schließen."
Besorgniserregend sind die Aufnahmen auch vor dem Hintergrund einer "Sofortmeldung zur Militärischen Sicherheitslage der Bundeswehr" an alle Kasernen aus dem vergangenen Jahr, die "Report Mainz" exklusiv vorliegt. Darin wird intern vor dem ehemaligen Stabsunteroffizier Sascha B. gewarnt. Der frühere Zeitsoldat, der als mutmaßlicher Islamist beobachtet wird, hatte seinen alten Truppenausweis nicht abgegeben. Der Bundeswehr gelang es nur mit Mühe, ihn wieder einzuziehen. Auf Nachfrage von "Report Mainz" räumte das Bundesverteidigungsministerium ein, dass es vergleichbare Fälle von gestohlenen oder nicht zurückgegebenen Truppenausweisen sowie Missbrauch mit Truppenausweisen in zweistelliger Zahl in den vergangenen zehn Jahren gegeben habe.
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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel.: 06131/929-3351.
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