Aufnahme afghanischer Ortskräfte in der Mehrheit der Fälle abgelehnt
Kritik an Bundesregierung
"Report Mainz", heute, 29.4.2014, um 21.45 Uhr im Ersten
Mainz (ots)
Weniger als ein Drittel der afghanischen Ortskräfte, die um Aufnahme in Deutschland gebeten haben, hat bislang eine Zusage von der Bundesregierung erhalten. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (heute, 29.4.2014, 21.45 Uhr, im Ersten) und beruft sich dabei auf aktuelle Zahlen des Bundesinnenministeriums. Die afghanischen Ortskräfte haben in Afghanistan für die Bundeswehr gearbeitet. Nach deren Abzug sind sie deshalb in ihrer Heimat in Gefahr.
Auf eine Anfrage von "Report Mainz" teilte das Bundesinnenministerium mit, dass bislang 976 afghanische Ortskräfte gegenüber deutschen Behörden ihre Gefährdung angezeigt hätten. 773 Fälle seien inzwischen bearbeitet worden, 302 Ortskräfte hätten eine Aufnahmezusage erhalten. 111 Ortskräfte seien nach Deutschland eingereist, so das Bundesinnenministerium. In mehr als zwei Drittel der Fälle wurde also entweder keine Aufnahmezusage erteilt oder die Fälle wurden noch nicht bearbeitet.
Nach Recherchen von "Report Mainz" sehen sich Ortskräfte aufgrund langwieriger Verfahren gezwungen, auf eigene Faust, ohne Hilfe der Bundesregierung und ohne ein Visum nach Deutschland zu fliehen. In Deutschland durchlaufen sie das normale Asylverfahren, das für Afghanen laut Angaben von Pro Asyl derzeit rund ein Jahr dauern kann.
Der stellvertretende Geschäftsführer von Pro Asyl, Bernd Mesovic, erklärte dazu im Interview mit "Report Mainz": "Die Bundesregierung lässt nach wie vor einen Teil der Betroffenen völlig im Stich. Sie schließt Leute aus, die aus unserer Sicht gefährdet sind, und die sich dann auf eigene Faust durchschlagen müssen. Viele landen in Booten, es gibt Todesfälle." Die Bundesregierung habe ihr Versprechen, gefährdete Ortskräfte nach Deutschland zu holen und die Verfahren zu entbürokratisieren, nicht eingelöst, kritisierte Bernd Mesovic: "Das war überwiegend heiße Luft. Weder können alle kommen, die es brauchen, noch geht es mit der notwendigen Zügigkeit und Eile."
Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, erklärte: "Es ist schon ein Skandal, dass nach all den Jahren, in denen wir diskutiert haben, es immer noch nicht funktioniert, dass die Leute unbürokratisch in Deutschland Aufnahme finden." Im Interview mit "Report Mainz" kritisierte er die Verfahren als "viel zu langwierig und vor allen Dingen intransparent". Ablehnungen würden gegenüber den Ortskräften nicht begründet. "Wir reden hier über einen Personenkreis, der gefährdet ist, weil er uns geholfen hat. Diese Menschen sind im Fadenkreuz der Taliban, weil sie für die Bundeswehr gearbeitet haben. Dass die Hilfeleistungen, die geboten wären, derzeit überhaupt nicht zur Verfügung stehen, ist einfach eine Bankrotterklärung und wird unseren moralischen Verpflichtungen nicht gerecht", so Nouripour.
Das Bundesinnenministerium erklärte auf Nachfrage, bei individueller Gefährdung einer Ortskraft werde eine Aufnahmezusage für Deutschland innerhalb weniger Tage erteilt. "Zur Beschleunigung des Verfahrens haben die Ressorts u. a. die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen beteiligten Stellen weiter verbessert und die Kommunikationswege verkürzt", teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Die Einstufung des Kriterienkatalogs als Verschlusssache diene dem Persönlichkeitsschutz der Ortskräfte.
Im Oktober 2013 hatte der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich angekündigt, gefährdeten Ortskräften zu helfen: "Wir haben selbstverständlich vor, all diejenigen, die uns geholfen haben in Afghanistan, und die jetzt in Gefahr geraten, wir haben vor, diese Menschen nach Deutschland zu holen. Ich glaube, das ist nur fair und anständig und deswegen sind die Verfahren auch entbürokratisiert worden."
Weitere Informationen unter www.reportmainz.de. Zitate gegen Quellenangabe "Report Mainz" frei. Fragen bitte an "Report Mainz", Tel.: 06131/929-33351.
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