Pflegekassen zahlen für nicht vorhandene Pflegekräfte
"Report Mainz", 7. März 2017, um 21.45 Uhr im Ersten
Mainz (ots)
Die Pflegekassen müssen den Heimen Geld für Pflegekräfte zahlen, die dort gar nicht beschäftigt sind. Das berichten "Report Mainz" und Süddeutsche Zeitung. Grundlage der gemeinsamen Recherche ist ein bislang unveröffentlichter Briefwechsel zwischen dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), und dem Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV-Spitzenverband). Demnach dürfen Pflegeheime beim Personal legal "schummeln", ohne mit finanziellen Konsequenzen rechnen zu müssen. "Die jetzige Regelung ist ein Anreiz für einen Pflegeheimbetreiber, ein bisschen zu wenig Personal einzustellen und sich das übriggebliebene Geld in die eigene Tasche zu stecken", sagt ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Ganz praktisch heiße das, "dass Pflegeheime weniger Personal beschäftigen können, als eigentlich vertraglich vereinbart ist, nämlich bis zu acht Prozent".
Hintergrund ist ein Urteil des Bundessozialgerichtes aus dem Jahr 2012. Demnach ist eine Personalunterdeckung in Pflegeeinrichtungen in Höhe von acht Prozent möglich, ohne dass die Kassen ohne Weiteres die Vergütung kürzen können. Diesen Umstand kritisiert auch Karl-Josef Laumann: "Ich finde es sehr bedenklich, dass wir eine Rechtsprechung haben, die es den Heimen erlaubt, zwischen sechs und acht Prozent unter der eigentlich abgemachten Personalausstattung zu arbeiten. Wenn das Schule macht, haben wir ein großes Problem." Laumann sieht hier "Handlungsbedarf", denn "jede Personalunterschreitung würde zu nicht gerechtfertigten Gewinnen" der Einrichtungsträger auf Kosten der Pflegekräfte und Pflegebedürftigen führen.
Derzeit gibt es nur wenige Verfahren der Pflegekassen gegen stationäre Einrichtungen, wenn diese zu wenig Personal beschäftigen. Oftmals überprüfen die Kassen nicht einmal mehr, ob die Einrichtungen tatsächlich zu wenige Pflegekräfte einsetzen. In dem Papier, das "Report Mainz" und Süddeutscher Zeitung vorliegt, heißt es: "Aufgrund der geringeren Erfolgsaussichten ... führen inzwischen einige Sozialhilfeträger und Pflegekassen, z. B. in Hessen den aufwändigen Personalabgleich nicht mehr durch". Auch deshalb wurden von Januar bis Ende September 2016 bundesweit nur in neun von insgesamt rund 13.600 Heimen offiziell festgestellt, dass zu wenig Personal anwesend war.
Somit werde eine Personalunterdeckung derzeit "faktisch toleriert", kritisiert der GKV-Spitzenverband. "Das darf nicht sein. Wir brauchen eine Rechtsänderung, damit das endet." Karl-Josef Laumann sieht ebenfalls "Handlungsbedarf". Sein Parteifreund und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe derzeit nicht. Auf Anfrage von "Report Mainz" und der Süddeutschen Zeitung wiesen sowohl die Caritas als auch die Diakonie eine systematische Unterbesetzung in ihren Einrichtungen zurück. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, der private Träger vertritt, hat dazu nicht Stellung genommen.
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