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Unzureichende Corona-Kontrollen in Betrieben

Mainz (ots)

"Report Mainz"-Umfrage: Zwei Drittel der Arbeitsschutzbehörden beklagen Personalmangel / Sendung am heutigen Dienstag, 9. Februar 2021, 21:45 Uhr im Ersten

Rund ein Jahr nach Beginn der Pandemie sind die Corona-Kontrollen in deutschen Betrieben nach wie vor unzureichend. Nicht nur wird selten kontrolliert, die zuständigen Arbeitsschützer*innen können sich wegen mangelnder rechtlicher Grundlagen vor Ort auch oft nicht durchsetzen. Das zeigen aktuelle Recherchen von "BuzzFeed News Deutschland" und dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz".

Behörden klagen über Personalmangel und Schwierigkeiten bei der Umsetzung

Gemeinsam mit "BuzzFeed News" hat "Report Mainz" 70 Arbeitsschutzbehörden in ganz Deutschland zu den Herausforderungen in der Corona-Krise befragt, knapp 50 haben geantwortet. Zwar geben 90 Prozent der Behörden an, Betriebe auf Verstöße gegen die Corona-Verordnungen angesprochen zu haben - in den meisten Fällen wurden die Firmen aber nur mündlich oder schriftlich verwarnt. Selten kam es zu Bußgeldern und noch seltener wurde ein Betrieb geschlossen. Mehr als zwei Drittel der Behörden beklagen, dass ihnen zu wenig Personal zur Verfügung stehe und fast die Hälfte berichtet davon, dass sie in den vergangenen Monaten Beamte hätten abgeben müssen, zum Beispiel an den Corona-Krisenstab ihrer Region. Die Behörden beklagen sich zudem darüber, dass die Home-Office-Regelungen schwer überprüfbar seien. "Führt der Arbeitgeber Gründe an, die aus seiner Sicht ein Homeoffice nicht zulassen, sind diese schwer widerlegbar", schreibt etwa das niedersächsische Sozialministerium. Es gebe viel zu viele verschiedene, sich teils widersprechende Verordnungen, schreiben mehrere Behörden.

Alle 25 Jahre würde ein Berliner Betrieb auf Schutz vor Corona kontrolliert

Der Direktor der Berliner Arbeitsschutzbehörde LAGetSi, Robert Rath, sagte im Gespräch, seine Behörde könne aktuell nicht "regelhaft alle Betriebe der Stadt kontrollieren". Sie habe im vergangenen Jahr rund 1.000 zusätzliche Corona-Betriebskontrollen durchgeführt. Das sind 20 Kontrollen in der Woche. Seit wenigen Tagen gibt es beim Berliner LAGetSi nun eine Corona-Taskforce. Ab sofort sollen 80 Kontrollen die Woche stattfinden. Bei rund 100.000 Berliner Betrieben würde so jeder Betrieb alle 25 Jahre auf die Umsetzung der Corona-Maßnahmen kontrolliert. Dass der mangelhafte Umgang mit der Corona-Pandemie in deutschen Betrieben auch im zweiten Lockdown ein strukturelles Problem ist, zeigt eine im Januar aktualisierte Auswertung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die "BuzzFeed News" und "Report Mainz" exklusiv vorliegt. Seit Monaten befragt die Stiftung Arbeiter*innen zu ihrer Situation im Büro oder der Fabrik. Noch immer sagt Malte Lübker, gebe es einen harten Kern "von 12 bis 13 Prozent der Beschäftigten, die sagen: Bei uns wurde immer noch nicht ausreichend reagiert." Mehrere Arbeitsschützer*innen unterstreichen die Probleme in vertraulichen Telefonaten mit "BuzzFeed News" und "Report Mainz". Sie beschweren sich, dass die neuen Corona-Verordnungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nicht ausreichen würden. Vor Ort könnten sie oft nicht hart und schnell genug durchgreifen, weil ihnen die rechtlichen Grundlagen fehlten. Zudem seien viele Kolleg*innen im Home-Office. Teilweise, so berichten es die Beamt*innen, schrieben sie gar keine Anordnungen mehr, weil sie wüssten, dass diese ohnehin nicht durchgesetzt werden könnten. "Wir sind nur noch ein paar Häuptlinge, aber die Indianer in der Fläche fehlen." Ein erfahrener Beamter nennt die Kontrollen einen "Tropfen auf den heißen Stein".

Arbeitsschutz wird in Deutschland seit Jahrzehnten abgebaut

In den vergangenen 20 Jahren sei die staatliche Aufsicht auf eine so genannte System-Aufsicht reduziert worden, sagt der langjährige Arbeitsschutz-Experte Wolfgang Hien. Heute würde kaum noch in den Betrieben kontrolliert. "In manchen Bundesländern ist die Arbeitsschutz-Aufsicht praktisch auf null reduziert", sagt Hien. "Und jetzt, seit einem Jahr Corona-Krise, ist es so, dass auch viele Gewerbeaufsichtsämter im Prinzip im Homeoffice sind - und überhaupt gar nicht mehr kontrollieren." Die Zahl der Betriebskontrollen ist zuletzt um fast 50 Prozent gesunken. Im Schnitt wurden Betriebe im Jahr 2018 in Deutschland demnach nur alle 25 Jahre kontrolliert. Zehn Jahre vorher fanden die Kontrollen noch alle elf Jahre statt. In Schleswig-Holstein und dem Saarland liegen durchschnittlich fast 50 Jahre zwischen zwei Betriebsbesichtigungen. Das geht aus einer kleinen Anfrage im Bundestag durch Linken-Politikerin Jutta Krellmann hervor.

Linksfraktion fordert mehr Mittel für den Arbeitsschutz

Jutta Krellmann kritisiert den jahrelangen Abbau des Arbeitsschutzes in Deutschland. "Corona ist wirklich wie eine Lupe", sagt Krellmann im Interview mit "BuzzFeed News" und "Report Mainz". Das Virus habe "deutlich gemacht, wo die Fehler der vergangenen Jahre sind. Und wenn wir wissen, wo die Fehler der vergangenen Jahre sind, nämlich in der Reduzierung der Arbeitsschutz-Kontrollbehörden, dann müssen wir das gefälligst ändern. Und zwar nicht irgendwann, sondern so schnell wie möglich."

Das Bundesarbeitsministerium antwortet auf Nachfrage, Minister Hubertus Heil habe "nachdrücklich darum gebeten, auch und gerade angesichts der derzeitigen Pandemie ein hohes Kontrollniveau aufrechtzuerhalten." Zudem sei vor kurzem eine Mindestbesichtigungsquote festgelegt. Diese gilt jedoch erst ab 2026 und schreibt vor, dass jeder Betrieb im Schnitt alle 20 Jahre kontrolliert werden muss.

Weitere exklusive Informationen auf der Internet-Seite http://x.swr.de/s/13mw

Zitate gegen Quellenangabe "Report Mainz" frei.

Rückfragen bitte an die Redaktion "Report Mainz", Tel.: 06131 929 33351/2

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