WDR-Rundfunkrat für crossmediales öffentlich - rechtliches Jugendangebot
Köln (ots)
Der WDR-Rundfunkrat hat in seiner ersten Sitzung im neuen Jahr eine Stellungnahme zur Neustrukturierung der Digitalkanäle von ARD und ZDF verabschiedet.
Der WDR-Rundfunkrat hat seine bereits seit Jahren erhobene Forderung nach dem gezielten Ausbau des öffentlich-rechtlichen Programmangebots für junge Menschen bekräftigt. Gleichzeitig begrüßt er den Beschluss der Ministerpräsidenten/innen vom 25. Oktober 2013 zur Neustrukturierung der Digitalkanäle.
In einer Stellungnahme appelliert der Rundfunkrat an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, in ihren weiteren Beratungen auch die strikte Anbindung von Online-Angeboten an ein lineares Fernsehangebot zu überdenken und entsprechende Änderungen im Staatsvertrag zu berücksichtigen. Darüber hinaus regt das Gremium an, den Sender Phoenix künftig noch stärker als verbindendes Glied für europäische Themen zu positionieren und die Berichterstattung über Entwicklungen in der EU zu vertiefen.
Ruth Hieronymi, Vorsitzende des Rundfunkrats: "Um die jüngere Zielgruppe zu erreichen, ist ein crossmediales Angebot auch ohne unmittelbaren Sendungsbezug unabdingbar, da es den Nutzungsgewohnheiten dieser Zielgruppe weitaus mehr entspricht. Das Jugendangebot ist deshalb neben der linearen Basisversorgung grundsätzlich non-linear und interaktiv auszurichten, über alle relevanten Technologien zu verbreiten und plattformorientiert auf- und auszubauen."
Petra Kammerevert, Vorsitzende des Programmausschusses: "So sehr wir den Ausbau eines multimedialen Jugendangebots unterstützen, darf dies kein Alibi für die Programmverantwortlichen sein, um innovative und jugendaffine Programmangebote im Ersten und in den Dritten Programmen einzustellen. Wir plädieren deshalb nachdrücklich dafür, Sendeflächen und Mittel für kreative Ideen der Programmmacher auf sämtlichen Verbreitungswegen bereitzustellen."
Die vollständige Stellungnahme finden Sie unter: http://www1.wdr.de/unternehmen/gremien/rundfunkrat/rundfunkrat_resolutionen104.html
Einstimmig vom WDR-Rundfunkrat in der 555. Sitzung am 24. Januar 2014 verabschiedet
Stellungnahme des WDR-Rundfunkrats zur
Neustrukturierung der Digitalkanäle von ARD und ZDF
I. Crossmediales öffentlich - rechtliches Jugendangebot
1. Der WDR-Rundfunkrat fordert seit Jahren den Ausbau des öffentlich-rechtlichen Programmangebots für junge Menschen. Gleiches gilt für die Reform und die Straffung der Digitalkanäle. Er begrüßt deshalb grundsätzlich den Beschluss der Ministerpräsidenten/innen vom 25. Oktober 2013 zur Neustrukturierung der Digitalkanäle.
2. Es gilt eine Plattform zu schaffen, auf dem Programm für ein junges Publikum angeboten wird, nicht einen eigenen Jugendkanal. Unabdingbar erforderlich für Aufbau und Struktur eines solchen Programms ist die Erarbeitung eines Konzepts, das den Nutzungsgewohnheiten der genannten Zielgruppe entspricht. Hierfür ist die Entwicklung eines crossmedialen Angebots dringend notwendig, das nicht in erster Linie an ein lineares Fernsehprogramm anknüpft. Die strikte Festlegung des Rundfunkstaatsvertrages, dass nicht-lineare Angebote nur zulässig sind, wenn sie unmittelbar an ein lineares Angebot anknüpfen, macht es allerdings fast unmöglich, Angebote für eine jüngere Zielgruppe zu entwickeln, deren Schwerpunkte im non-linearen Bereich liegen.
3. Der WDR-Rundfunkrat fordert aufgrund der genannten Zusammenhänge die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf, in den weiteren Beratungen auch über eine Flexibilisierung der strikten Anknüpfung non-linearer Angebote an den unmittelbaren Sendungsbezug eines linearen Fernsehangebots nachzudenken und entsprechende Änderungen am Staatsvertrag ins Auge zu fassen.
4. Vor diesem Hintergrund hält der WDR-Rundfunkrat ein lineares Programmangebot für junge Leute, das allerdings keine 24 Stunden pro Tag umfassen sollte, als Basisangebot für vertretbar. Die Ressourcen des neuen Jugendangebotes müssen aber vorrangig, konsequent und unter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten auf eine crossmediale Struktur und nicht primär auf ein lineares Programmangebot ausgerichtet werden. Das Jugendangebot ist deshalb neben der linearen Basisversorgung grundsätzlich non-linear und interaktiv auszurichten, über alle relevanten Technologien zu verbreiten und plattformorientiert auf- und auszubauen. Selbstverständlich muss die inhaltliche Gestaltung der Angebote dem öffentlich-rechtlichen Profil und Auftrag gerecht werden. Für die äußerst erfolgreichen jungen Radiowellen der Landesrundfunkanstalten in der ARD ist im Konzept ein umfassender und breitgefächerter Einsatz vorzusehen, dessen Verwirklichung vom Start des Angebots an vorrangig zu gewährleisten ist. Die von WDR und ARD für den bisherigen Digitalkanal Einsfestival erschlossenen Potentiale sind für künftige Formatentwicklungen zur Verfügung zu stellen und entsprechend zu nutzen.
5. Ein solches Angebot darf zudem kein Alibi sein, um innovative und jugendaffine Programmflächen im Ersten und in den Dritten Programmen nicht mehr auszuweisen. Der WDR-Rundfunkrat fordert die Programmverantwortlichen des WDR auf, den mit Hilfe des Innovationstopfes eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen, entsprechende Mittel bereitzustellen und die unmittelbaren Programmmacher auch künftig zu ermutigen, innovative Ideen ins Programm einzubringen. Hierfür sind entsprechende Programmflächen bereitzustellen. Der WDR sollte den Anspruch haben, Innovationsmotor zu sein. Dazu gehört auch der Mut zu Ungewöhnlichem und Neuem, manchmal auch Provozierendem.
6. Der Vorschlag der Ministerpräsidentenkonferenz einer Zusammenarbeit mit jungen Menschen sollte unter Einbeziehung der sozialen Netzwerke erprobt werden. Der WDR-Rundfunkrat praktiziert seit Jahren eine Zusammenarbeit mit medieninteressierten jungen Menschen beispielsweise in Werkstattgesprächen und in einer Arbeitsgruppe. Die Erkenntnisse der Medienforschung zeigen sehr genau, wie sich die Mediennutzung junger Menschen verändert und welche Konsequenzen der öffentlich-rechtliche Rundfunk aus dieser Entwicklung ziehen müsste. Der WDR-Rundfunkrat sieht deshalb vor allem ein Umsetzungsdefizit, nicht ein Erkenntnisdefizit bei der Gestaltung eines den Interessen der jungen Menschen entsprechenden öffentlich-rechtlichen Angebots. Am Ende wird nur das Erproben von Formaten und Angeboten wirklich Aufschluss darüber geben, was vom Publikum angenommen wird und was nicht.
II. Positionierung der Digital- und Spartenkanäle
1. Durch eine klare Aufgabenbeschreibung ist die Abgrenzung zwischen tagesschau24, ZDFinfo und Phoenix deutlich zu machen.
2. Phoenix sendet seit Jahren erfolgreich, bei stets wachsendem Publikumsinteresse. Die für den Ereignis- und Dokumentationskanal notwendigen Programmressourcen dürfen nicht durch Einzelinteressen einzelner Sender versperrt sein. Vielmehr muss Phoenix auf die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umfangreich zugreifen können, um seinen Programmauftrag angemessen auch in Zukunft erfüllen zu können.
3. Darüber hinaus regt der Rundfunkrat des WDR an, Phoenix künftig noch stärker als verbindendes Glied für europäische Themen zu positionieren und die Berichterstattung über Entwicklungen in der EU zu vertiefen. Gerade der WDR als Federführer von Phoenix und des ARD-Studios in Brüssel verfügt hier über die notwendigen Kompetenzen und kann Vorreiter für eine stärker europäisch ausgerichtete Programmgestaltung im Bereich der Information sein.
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