1,5 Milliarden Euro an jährlichen Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaft notwendig
Hamburg (ots)
Fachgutachten zur Erhaltung der Biodiversität auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sieht die Förderung der Artenvielfalt vorrangig als eine Frage des fairen Entgelts: 1,5 Milliarden Euro an jährlichen Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaft notwendig Mit dieser Summe könnten 2,3 Millionen Hektar naturnah bewirtschaftet werden / Durch Umverteilung vorhandener Mittel könnten bereits bis zu 80 Prozent der Summe aufgebracht werden / Michael Otto Stiftung spricht sich für eine faire Bezahlung der Landwirte für ihre nachhaltige Beteiligung am Erhalt der Biodiversität aus
Berlin/Hamburg, 31. August 2010 - Die Landwirtschaft mit ihren unternehmerisch eigenständigen Betrieben spielt eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung der Artenvielfalt. Da sich der Großteil der zu schützenden Biodiversität auf Agrar-Flächen befindet, müssen die Landwirte nach Auffassung der Michael Otto Stiftung mit ihren materiellen Interessen ernstgenommen und für ein neues Bündnis zwischen Landwirtschaft und Naturschutz gewonnen werden. Um eine von den Bauern mitgetragene naturnahe Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen zu erreichen, sind nach einem jetzt vorgelegten Fachgutachten von Prof. em. Dr. Ulrich Hampicke vom Institut für Botanik und Landwirtschaftsökologie in Greifswald im Auftrag der Michael Otto Stiftung zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro jährlich an Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaftsbetriebe notwendig. Mit dieser Summe könnten laut Fachgutachten 2,3 Millionen Hektar oder 15 Prozent der Agrarfläche in Deutschland naturnah bewirtschaftet werden. Damit wäre Deutschland auch den von der damaligen Bundesregierung bei der EU-Ratssitzung 1997 in Göteborg erklärten Zielen zum Ausbau des Natur- und Umweltschutzes einen großen Schritt näher.
Die Erhaltung der Artenvielfalt hält Prof. Hampicke durch eine sinnvolle Mischung aus der Ausweitung von biodiversitätsreichen Formen der extensiven Landwirtschaft sowie einer Begrenzung der Intensivierung der Landwirtschaft für möglich. Rund eine Million Hektar sind seiner Einschätzung nach allein durch die Umstellung auf eine extensive Bewirtschaftung von Halbkultur- und Traditionsgrünland durch Beweidung sowie naturverträgliche Mähtechniken zu gewinnen. Dazu käme die Extensivierung von 400.000 ha Intensiv-Grünland durch Wiederherstellung artenreicher Wiesen und Weiden sowie die Schaffung von Lebensraum für Ackerwildkräuter auf 300.000 ha in weniger ertragreichen Ackerbau-Regionen und der Anlage von Strukturelementen (Randstreifen, Feldgehölze, Hecken etc.) auf 600.000 ha bislang hoch produktiven Ackerlandes.
"Die deutsche Politik muss zudem praktikable Instrumente für Ausgleichszahlungen entwickeln, die es auch bei fluktuierenden Marktpreisen für den Landwirt attraktiv machen, Biodiversität zu schützen. Innovative Zahlungssysteme sollen darauf zielen, eine Minimierung des bürokratischen Aufwandes, einen Beitrag zur Biodiversität und Kontrollierbarkeit gleichermaßen zu berücksichtigen", erklärte der Vorsitzende des Kuratoriums der Michael Otto Stiftung, Dr. Michael Otto. In Zukunft müsse die Landwirtschaft bei der Erhaltung der Biodiversität eine wichtige Rolle spielen. "Landwirte sind aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung prädestiniert dafür, dieses Ziel am einfachsten und kostengünstigsten voranzutreiben", so Dr. Michael Otto weiter.
Im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Vergleichsrechnung ermittelte Prof. Hampicke die notwendigen jährlichen Ausgleichszahlungen pro Hektar als Äquivalent für den durch die veränderte Flächennutzung entgangenen Deckungsbeitrag für die landwirtschaftlichen Betriebe. Herausgekommen ist dabei je Hektar Halbkulturlandschaft und Traditionsgrünland ein jährlicher Ausgleichsbetrag von 500 EUR, bei Grünland-Extensivierung von 1.000 EUR, bei Ackerwildkrautschutz von 300 EUR und für mehr Vielfalt an Strukturelementen in der Ackerlandschaft ein Betrag von 700 EUR.
"Das Problem der Ausgleichszahlung für Biodiversitäts-Dienstleistungen der Landwirte ist finanziell lösbar. Momentan fließen jedoch noch hohe Mittel in zweitrangige Verwendungen sowie in Maßnahmen an der Grenze der guten fachlichen Praxis oder darunter. Wir fordern von der Politik den politischen Willen, eine Umverteilung der bestehenden finanziellen Mittel im Interesse der Biodiversität zu gestalten", so Dr. Michael Otto.
Zur Finanzierung eines derartigen bundesweiten Programms naturnaher Bewirtschaftung sieht Prof. Hampicke ausreichend vorhandene Geldmittel unter anderem im Rahmen der bestehenden ELER-Verordnung, die die rechtliche Grundlage für die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zur Entwicklung ländlicher Räume in der EU darstellt. Dafür müssten vor allem Agrar-Umweltprogramme stärker auf den Schutz biotischer Ressourcen zugeschnitten werden. So könnten jährlich 850 Millionen EUR aus dem "ELER Schwerpunkt 2, Offenland", 100 Millionen EUR aus dem "ELER Schwerpunkt 3, Umweltschutz" und 300 Millionen EUR aus dem Programm "Erste Säule Grünland (1 Mio. Hektar)" dafür eingesetzt werden. "Mit diesem Schritt der Umverteilung wären bereits 1,25 Milliarden der benötigten 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro gegenfinanziert. Das entspricht immerhin 70 bis 80 Prozent der für dieses Programm notwendigen Mittel", fasste Prof. Hampicke zusammen.
Die Michael Otto Stiftung sieht in der EU-Agrarreform eine große Chance, durch eine zielgerichtete Agrar-Förderpolitik mit starken Marktanreiz-Instrumenten die Basis für eine nachhaltige Umsteuerung zu schaffen. Um die EU-Verhandlungen zur Agrarreform positiv zu beeinflussen, muss eine gemeinsame Zielentwicklung unter Einbeziehung aller Akteure - von Bund, Ländern, Landwirten und Naturschützern - erarbeitet werden. Dr. Michael Otto: "Ein Weiter-So aller Akteure nach dem Partikularprinzip mit Vorrang für das Eigeninteresse ist nicht zukunftsfähig."
Weiterführende Informationen und Fakten aus dem Fachgutachten sind ab heute Mittag im Internet unter www.michaelottostiftung.de recherchierbar.
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Yvonne Buckreus, Geschäftsleitung Michael Otto Stiftung
Tel. 040/64 61 64 52, Mobil 0151/17 15 29 66
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