Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
Unternehmen in der Verantwortung: Effizienzgewinne der Umwelt zurückgeben
Gemeinsame Pressemitteilung von Öko-Institut, IÖW, B.A.U.M., Data Center Group
Freiburg/Berlin, 13. Juni 2022
Unternehmen in der Verantwortung: Effizienzgewinne der Umwelt zurückgeben
Senkungen des Verbrauchs bei Energie und Rohstoffen führen in Unternehmen häufig dazu, dass so eingesparte Gelder oder Materialien eingesetzt werden, um mehr oder neue Produkte herzustellen. So werden Umwelt und Klima insgesamt nicht entlastet, denn der Energie- und Rohstoffverbrauch sinkt nicht. Solchen Rebound-Effekten können Unternehmen proaktiv begegnen: Indem sie ein ganzheitliches Management von Energie- und Materialeffizienz anstreben, Effizienzgewinne ermitteln, analysieren und mögliche Folgen auswerten. Senken Unternehmen durch Ressourceneffizienz Kosten, sollten sie die Einsparungen in weitere, ambitionierte Umwelt- und Effizienzmaßnahmen investieren.
Diese Empfehlung stellen die Partner im Forschungsprojekt „Ganzheitliches Management von Energie- und Ressourceneffizienz in Unternehmen“ – B.A.U.M. e.V., Data Center Group, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Leuphana Universität Lüneburg und Öko-Institut – heute vor. Noch weiter, so die Expertinnen und Experten, können Unternehmen mit einer klaren strategischen Positionierung pro Nachhaltigkeit gehen. Dabei sollten sie Effizienzgewinne nutzen, um die Nachhaltigkeit von Produkten und Produktionsprozessen zu verbessern und die absoluten Energie- und Materialverbräuche zu reduzieren. Auch Produktionsausweitungen bewusst zu begrenzen, im Sinne einer „unternehmerischen Suffizienz“, ist eine Möglichkeit.
Effizienzgewinne in Unternehmen strategisch steuern
Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass es keine einfachen Lösungen gibt, um Rebound-Effekten in Unternehmen zu begegnen: „In unseren Interviews und Praxisfallstudien haben wir gesehen, dass der Umgang mit Effizienzgewinnen in Unternehmen noch wenig systematisch ist“, fasst Franziska Wolff, Projektleiterin am Öko-Institut für das MERU-Projekt zusammen. „Insgesamt ist mehr Bewusstsein in Unternehmen nötig, dass unternehmerisches Handeln dazu beitragen muss, die ökologischen Belastungsgrenzen des Planeten einzuhalten.“
Dabei spielen die systematische Erfassung und Auswertung von Daten rund um Energie- und Materialeffizienz eine große Rolle. Welche Einsparziele können bei Energie und Rohstoffen erreicht werden? Welche Kosten können so eingespart werden und wie sollen die eingesparten Mittel verwendet werden? Haben die Einsparungen weitere ökologische Auswirkungen? Wie Unternehmen solche Fragen strukturiert angehen können, hat das Forschungsteam in einem Leitfaden für Unternehmen zusammengefasst.
„Unternehmen sollten sich bewusst machen, dass nicht-erreichte, aber theoretisch mögliche Verbrauchsminderungen relevante Umweltkosten darstellen“, sagt Patrick Schöpflin, Unternehmensexperte beim IÖW. „Nehmen Unternehmen solche Rebound-Effekte bewusst in Kauf, sollten sie Maßnahmen entwickeln, wie sie die nicht erreichten Einsparungen durch nachträgliche Anpassungen oder weitere Effizienzmaßnahmen realisieren können. Es führt kein Weg daran vorbei: Die Unternehmensstrategie muss stärker an der Reduktion des absoluten Verbrauchs ausgerichtet werden.“
„Rebound-Effekte können erwartete Umweltentlastungen reduzieren. Sie sind jedoch kein Automatismus und können verhindert werden. Mit geeigneten Managementmaßnahmen können geplante Umweltverbesserungen sogar verstärkt werden. Wir sprechen hier von ‚Reinforcement‘-Effekten“, betont Professor Stefan Schaltegger von der Leuphana Universität Lüneburg.
Ein Sektor, in dem hohe Wachstumsraten und Rebound-Effekte besonders ins Gewicht fallen, ist die Digitalisierungsbranche. Im MERU-Projekt konnte der Projektpartner Data Center Group entsprechende Rebound-Effekte in der Nutzung von Rechenzentren, neben anderen Wirkungsdefiziten von Effizienzmaßnahmen, nachweisen. „Aber auch hier“, so Dr. Dieter Thiel von der Data Center Group, „können Unternehmen noch mehr gegensteuern. Bisher konzentrierten sich die meisten Maßnahmen auf die Kälteerzeugung, Potential bieten aber auch noch wenig genutzte Möglichkeiten im Bereich IT und strukturelle Verbesserung der Software“.
Politische Strategien gegen Rebound-Effekte
Gleichzeitig, so die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, muss die Politik Rahmenbedingungen setzen, die Unternehmen dabei unterstützen, Energie- und Materialeffizienz ganzheitlich zu managen und Defizite in den Blick zu nehmen. So könnten etwa Politikziele zur absoluten Verbrauchsminderung bei Energie und Rohstoffen vorgegeben werden.
Die Internalisierung von externen Kosten bei Energie und Materialien ist elementar, um Anreize für Unternehmen zu stärken, solche Ziele zu verfolgen: Während ein über die Zeit ansteigender CO2-Preis bereits eingeführt wurde und noch gestärkt werden sollte, gibt es bislang keine entsprechenden Instrumente für eine Besteuerung von Materialverbräuchen.
Umwelt- und Energiemanagementsysteme, die bislang freiwillig sind, könnten verpflichtend eingeführt werden, um so das Bewusstsein für Einsparpotenziale zu erhöhen. Ein darin verankertes Rebound-Monitoring kann Unternehmen weiter motivieren, Messwerte zu Energie- oder Materialverbräuchen aufzuzeichnen und auszuwerten. Zu sämtlichen Verbrauchswerten sollte es zudem eine verpflichtende Berichterstattung geben.
„Die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten werden immer weiter überschritten, mit der dadurch verbundenen Schädigung von überlebenswichtigen Ökosystemen. Dies hat unter anderem mit der weiteren absoluten Zunahme von Materialverbräuchen zu tun. Wir brauchen also dringend einen anderen, schonenderen und sparsameren Umgang mit Ressourcen. Das beginnt schon bei der Produktentwicklung und muss dabei auch mögliche Rebound-Effekte im Blick haben“, fordert Martin Oldeland, stellvertretender Vorsitzender von B.A.U.M. e.V.
Das MERU-Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) gefördert.
~~~~~~~~~~~
Weitere Informationen und Downloads:
- MERU-Projektwebsite: www.meru-projekt.de
- Studie „Konzeptioneller Rahmen zur Erforschung von unternehmensbezogenen Rebound-Effekten“ von Leuphana Universität Lüneburg, Öko-Institut und IÖW
- „Leitfaden für Unternehmen zum Management und der Vermeidung von Rebound-Effekten“ von Öko-Institut, IÖW, Leuphana Universität Lüneburg und DCG
- Handlungsoptionen für die Politik „Ganzheitliches Management von Energie- und Ressourceneffizienz in Unternehmen: Wie können Rebound-Effekte vermindert werden?“ von Öko-Institut, IÖW, Leuphana Universität Lüneburg und DCG
- Diskussionspapier: Rebound-Effekte und Nachhaltigkeitsberichte (Effizienz-Reporting) vom IÖW
- Ergebnispräsentation: Befragung zu Effizienzmaßnahmen und ihren Auswirkungen
Ansprechpartner und -partnerinnen
Öko-Institut
Franziska Wolff
Leiterin des Institutsbereich
Umweltrecht & Governance
Öko-Institut e.V., Büro Berlin
Telefon: +49 30 405085-371
E-Mail: f.wolff@oeko.de
B.A.U.M. e.V.
Antonia Thiele
Projektmanagerin
B.A.U.M. e.V. – Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Telefon: +49 40 4907-1105
E-Mail: antonia.thiele@baumev.de
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
Patrick Schöpflin
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
Telefon: +49 30 884594-20
E-Mail: patrick.schoepflin@ioew.de
Leuphana Universität Lüneburg
Prof. Dr. Dr. Stefan Schaltegger
Leuphana Universität Lüneburg, Centre for Sustainability Management
Telefon: +49 4131 677-2180
E-Mail: stefan.schaltegger@leuphana.de
Data Center Group
Dr. Dieter Thiel
Senior Consultant
Data Center Group
Telefon: +49 175 4399868
E-Mail: Dieter.thiel@datacenter-group.com
Über das Öko-Institut
Das Öko-Institut ist eines der europaweit führenden, unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstitute für eine nachhaltige Zukunft. Seit der Gründung im Jahr 1977 erarbeitet das Institut Grundlagen und Strategien, wie die Vision einer nachhaltigen Entwicklung global, national und lokal umgesetzt werden kann. Das Institut ist an den Standorten Freiburg, Darmstadt und Berlin vertreten.
www.oeko.de | Podcast | blog.oeko.de | Twitter | Instagram | Onlinemagazin
Über B.A.U.M. e.V.
Der 1984 gegründete Verband ist mit weit über 700 Mitgliedern eine starke Stimme nachhaltig wirtschaftender Unternehmen und eine treibende Kraft für nachhaltige Entwicklung in Europa. B.A.U.M. unterstützt seine Mitglieder beim Aufbau und bei der Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien. Aktuelle Leuchtturmprojekte: "Wirtschaft pro Klima”, nachhaltig.digital, B.A.U.M. | Umwelt- und Nachhaltigkeitspreis.
Über das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
Das IÖW ist ein führendes wissenschaftliches Institut auf dem Gebiet der praxisorientierten Nachhaltigkeitsforschung. Rund 70 Mitarbeiter*innen erarbeiten Strategien und Handlungsansätze für ein zukunftsfähiges Wirtschaften – für eine Ökonomie, die ein gutes Leben ermöglicht und die natürlichen Grundlagen erhält. Das Institut arbeitet gemeinnützig und ohne öffentliche Grundförderung.
www.ioew.de | Newsletter | Twitter | Zeitschrift
Über Leuphana Universität Lüneburg
Das Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität Lüneburg ist ein führendes Kompetenzzentrum im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und ein international ausgerichtetes Forschungslabor für zukunftsfähiges Unternehmertum. Es gehört der ersten europäischen Fakultät Nachhaltigkeit der Leuphana Universität Lüneburg an. Ein interdisziplinär besetztes Team erforscht, wie Unternehmen und Organisationen Nachhaltigkeit effektiver umsetzen können.
sustainament-Blog | CSM bei LinkedIn| CSM auf Twitter
Über die Data Center Group
Die Data Center Group bündelt die komplette Wertschöpfungskette für die Hochverfügbarkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit von IT-Infrastrukturen unter einem Dach – von der Beratung und Planung über die fachgerechte bauliche Umsetzung bis hin zum professionellen Betrieb von effizienten, nachhaltigen, zukunftssicheren und nach höchsten Standards geprüften Rechenzentrumslösungen.
www.datacenter-group.com | LinkedIn
Pressekontakt:
Richard Harnisch Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) Tel.: +49 30/884594-16 kommunikation@ioew.de