Kleine Haustyrannen: "37°"-Dokumentation im ZDF über die Erziehung "grenzenloser Kinder"
Mainz (ots)
Sie haben Wutanfälle, reden immer dazwischen, zeigen sich rücksichtslos und wollen immer im Mittelpunkt stehen. Erzieher und Lehrer sind überfordert, weil Kinder mit diesen Verhaltensweisen in der Überzahl sind. Die "37°"-Dokumentation "Kleine Haustyrannen" beobachtet am Dienstag, 30. Juni 2009, 22.15 Uhr im ZDF den Alltag zweier Familien mit "grenzenlosen Kindern". Der Film von Katrin Wegner geht der Frage nach, warum immer mehr Eltern ihre Kinder verwöhnen und aus ihnen kleine Tyrannen machen. Wo ist der richtige Weg für eine Erziehung im Gleichgewicht? "37°" begleitet die zwei Familien und schildert ihren Weg der Veränderung.
"Ich mache nur, was mir Spaß macht. Mir kann keiner was befehlen!" Die 15-jährige Linda sagte weiter: "Mein Vater erfüllt mir jeden Wunsch!" Ihre Eltern leben getrennt, kümmern sich aber beide engagiert um Linda und wollen stets das Beste für ihr Kind. Beim Vater, von Beruf Psychiater, bestimmen Grenzenlosigkeit und Verwöhnen den Alltag, die Mutter, als Apothekerin tätig, sieht in der Tochter eine gleichberechtigte Partnerin. Linda schwänzte bereits mit zwölf Jahren die Schule, blieb nachts fort, war respektlos und verhaltensauffällig. Die Situation eskalierte, als sie ihre Mutter tätlich angriff und dabei verletzte. Seitdem lebt Linda in einer therapeutischen Wohngemeinschaft in Wernigerode, wo ihr Alltag sehr strukturiert wird. Therapeuten und Lehrer kümmern sich dort um Jugendliche aus Familien der Mittel- und Oberschicht. Die Einrichtung arbeitet eng mit den Eltern zusammen, versucht ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was zu Hause verändert werden muss. Alle zwei Wochen fährt Linda nach Hause, um dort einen Alltag mit Grenzen und Selbstständigkeit zu erproben. Ein in der Wohngemeinschaft erarbeiteter Verhaltensvertrag soll der Familie helfen, Abmachungen einzuhalten, Grenzen zu setzen und zu akzeptieren. Nicht nur für Linda ist das schwer. Auch ihr Vater, der Regeln und Grenzen bisher ablehnte, weil sich Linda frei entfalten sollte, muss einsehen, dass dies die einzige Chance ist, Lindas Zukunft zu retten.
Auch bei Gundula van de G. ist der Familienalltag außer Kontrolle geraten. Ihre zehn- und zwölfjährigen Töchter Annik und Tessa bestimmen den Tagesablauf komplett. Gundula van de G. wurde sehr streng erzogen, musste als Kind auf vieles verzichten. Ihren Kindern dagegen sollte es an nichts fehlen. Erlaubt ist, was Spaß macht, Grenzen oder Regeln gibt es nicht. "Meine Kinder werden als gleichberechtigte Partner behandelt. Wir diskutieren über alles. Mit guten Argumenten dürfen sie alles bestimmen." Annik und Tessa aber werden immer aggressiver, verweigern sich in der Schule. Die Situation eskaliert. Gundula van de G. wendet sich verzweifelt an den Bonner Kinderpsychiater Michael Winterhoff. Schon im ersten Beratungsgespräch wird der Mutter klar, dass sie mit ihren Kindern symbiotisch verstrickt ist. Sie erkennt: "Ich will meine Kinder in Diskussionen überzeugen und begreife nicht, dass sie dafür noch gar nicht die geistige Reife haben. Mein Kind ist nicht mein Partner, sondern muss auch wie ein Kind behandelt werden." In der Therapie lernt Frau van de G. Schritt für Schritt, Regeln einzuführen, Grenzen zu setzen. Seither hat sich der Alltag entspannt. Während sich vorher alles nur um die Kinder drehte, die sich wie kleine Narzissten gebärdeten, übernehmen sie jetzt Aufgaben im Haushalt. Sie entwickeln sich weiter.
Der ZDFdokukanal wiederholt die "37°"-Reportage am Mittwoch, 1. Juli 2009, 19.30 Uhr, und vertieft das Thema direkt im Anschluss, um 20.00 Uhr, in einer Gesprächsrunde mit Experten. Unter der Moderation von Doro Wiebe diskutieren Dr. Andrea Haverkamp-Krois, Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie des DRK Krankenhauses in Bielefeld, der Diplompädagoge und -psychologe Albert Wunsch, der diverse Bücher zum Thema Erziehung veröffentlicht hat, Heinz Strupp, Stellvertretender Schulleiter der Integrierten Gesamtschule Anna Seghers in Mainz, und die Schauspielerin und zweifache Mutter Sabine Bohlmann, die in ihrem Buch "Ein Löffelchen voll Zucker.. und was bitter schmeckt wird süß" Tipps und Tricks aus ihrem Erziehungsalltag verrät.
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