Gutachten "Legitimation und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Zeiten der Cloud"
Zusammenfassung
Mainz (ots)
I. Ausgangssituation Im ersten Teil beschreiben die Gutachter die einschneidenden Veränderungen im Medienbereich und die damit einhergehenden Veränderungen im Nutzungsverhalten. Den Ausgangspunkt bilde die Digitalisierung. Diese habe eine Differenzierung und Konvergenz der Medien sowie eine wachsende Angebots- und Zugangsvielfalt zur Folge. Dabei würden aus Nutzersicht lineare und nicht-lineare Angebote verschmelzen. Zudem setze eine zunehmende Fragmentierung des Sehverhaltens ein. Aus diesen Veränderungen ergebe sich die Frage, in welcher Weise das öffentlich-rechtliche Fernsehen reagieren müsse, um seiner Aufgabenstellung gerecht zu werden. Dieser Frage gehen die Gutachter in den nachfolgenden vier Teilen des Gutachtens nach. II. Veränderungen im Mediensektor Im zweiten Teil des Gutachtens ("Veränderungen im Mediensektor") werden die in der Einleitung angerissenen Veränderungen (Digitalisierung, Angebots- und Zugangsvielfalt, Fragmentierung des Sehverhaltens, Verschmelzung von linearen und nicht-linearen Angeboten) eingehend herausgearbeitet. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Entwicklung hin zum Cloud-TV gelegt, bei dem Programmfernsehen, Video on Demand, Onlinedienste und zahlreiche begleitende Dienste gebündelt würden und das als Fernsehen der vierten Generation bezeichnet wird. Dabei würde von Cloud-TV-Anbietern (wie bspw. Amazon) die Strategie verfolgt, den Kunden eine digitale Lebenswelt zu bieten, die sie möglichst nicht verlassen sollen. Im Zuge dieser Entwicklung komme es zu Vermachtungstendenzen beim Cloud-TV sowohl hinsichtlich des Angebots der Inhalte als auch bei Distribution und Vertrieb. Die verschiedenen Zugangsformen stünden allerdings nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzten sich gegenseitig und verschmelzen ineinander. III. Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Anschließend wird im dritten Teil des Gutachtens ("Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks") der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf den verschiedenen juristischen Ebenen (verfassungsrechtlich, unionsrechtlich, einfachgesetzlich) dargestellt. Die Gutachter betonen den umfassenden Grundversorgungsauftrag, die Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den demokratischen Prozess (Kultur- und Integrationsauftrag) sowie die Aufgabe des Gesetzgebers auf die veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren. Zum unionsrechtlichen Rahmen heben die Verfasser die unionsrechtlichen Beihilfevorschriften hervor. Die Anforderungen an die Beauftragung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Aufsicht werden dargelegt. IV. Gültigkeit des Funktionsauftrags in Zeiten der Cloud Im vierten Teil des Gutachtens ("Gültigkeit des Funktionsauftrags in Zeiten der Cloud") zur Bedeutung des Funktionsauftrags stellen die Gutachter fest: Dem Rundfunk komme auch in der nicht-linearen Welt eine besondere Meinungsbildungsrelevanz zu, gerade auch im Hinblick auf neue Informationsmöglichkeiten. Deshalb sei die Präsenz öffentlich-rechtlicher Anbieter mit ihrem spezifischen Funktionsauftrag in der nicht-linearen Medienwelt unverzichtbar. Denn gerade in der nicht-linearen Welt des Internets spielten audiovisuelle Inhalte mit ihrer spezifischen Suggestivkraft, Aktualität und Breitenwirkung eine ganz bedeutende Rolle. Wegen dieser drei Eigenschaften werde dem Rundfunk eine besondere Meinungsbildungsrelevanz zugeordnet. Daraus ergebe sich das Interesse des Gemeinwesens, dass Inhalte, soweit sie für die Meinungsbildung in der demokratischen Öffentlichkeit, für kulturelles Verständnis und sozialen Zusammenhalt von Bedeutung seien, unabhängig, qualitätsvoll und objektiv erstellt und verbreitet würden sowie grundsätzlich jedermann zugänglich seien. Dieses öffentliche Gut müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk bereitstellen. Darüber hinaus stelle der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch aus ökonomischer Sicht eine angemessene Lösung zur Erfüllung des rundfunkspezifischen Funktionsauftrags dar. Mit diesem Lösungskonzept solle die Pflege des öffentlichen Gutes der Meinungsvielfalt durch Verbreitung möglichst qualitätsvoller, umfassender, unabhängiger und objektiver Inhalte ermöglicht werden. Andere Lösungen müssten sich an der Wirksamkeit des aktuellen Konzeptes messen lassen. Eine angemessene Vielfaltsicherung sei durch Subventionierung privater Marktakteure kaum zu erreichen. An diesem Punkt des Gutachtens werfen die Verfasser einen vergleichenden Blick nach Großbritannien, bezogen auf die geplante Weiterentwicklung der BBC im Online-Bereich. Bislang biete die BBC ein Zugriffstool auf Mediatheken namens BBC iPlayer an, das mit deutlichem Abstand Marktführer in Großbritannien sei. In diesem seien lineare Fernseh- und Radioinhalte 30 Tage lang nach Ausstrahlung verfügbar. Die BBC habe nun im Oktober 2015 ein Strategiepapier mit Namen "Bold, British, Creative" vorgelegt. Folgende Punkte sind dabei besonders zu erwähnen: Die BBC beabsichtige einen wesentlichen Ausbau der Onlineaktivitäten, insbesondere sollen zusätzlich vom linearen Programm unabhängige Inhalte online gestellt werden. Zudem wolle sie als Plattform für Inhalte von ausgewählten Partnern fungieren. Hierzu solle ein neuer Dienst namens "Ideas" angeboten werden, der das Beste aus Großbritannien aus den Bereichen Kunst, Kultur, Wissenschaft, Geschichte und Wissen zusammenführe. Des Weiteren beabsichtige die BBC Personalisierungsmaßnahmen auszuweiten sowie Angebote auch auf Drittplattformen zu platzieren. Ein weiteres Element der Reform sei das Bestreben, für Dritte Inhalte herzustellen. Hierzu beabsichtige die BBC ein Netzwerk von 100 Lokalreportern zu gründen. V. Handlungsbedarf und regulatorische Rahmenbedingungen Die Gutachter entwickeln schließlich in einem fünften Teil ("Handlungsbedarf und regulatorische Rahmenbedingungen") konkrete Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber zur Fortentwicklung des Telemedienauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Beachtung der unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Maßgeblich für die europarechtliche Beurteilung sei die Einstellungsentscheidung der Kommission vom 20. April 2007 im Rahmen des sog. Beihilfenkompromisses. Aus dieser ergebe sich ein weiter Spielraum für die Beauftragung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Online-Bereich. Der Auftrag müsse nur hinreichend klar definiert und überprüfbar sein. Hierzu sehe die Kommission die Beschränkung des Telemedienauftrags auf journalistisch-redaktionelle Angebote als geeignet an. Aus verfassungsrechtlicher Sicht müsse es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der digitalen Medienwelt möglich sein, seinen demokratischen kulturellen Auftrag zu erfüllen. Hierzu müsse der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen an die Veränderungen im Medienbereich kontinuierlich anpassen. Grundsätzlich müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Angebote verstärkt auf die neuen technischen Möglichkeiten und Nutzererwartungen ausrichten können. Die Rahmenbedingungen für sendungsbezogene Telemedien müssten angepasst werden. Die Verweildauer audiovisueller Angebote sollte nicht mehr starr festgelegt, sondern flexibel auf den jeweiligen Auftrag des Dienstes abgestimmt werden. Dies gelte beispielsweise auch für den Sport. Zudem sei vorstellbar, das grundsätzliche Verbot des Verfügbarmachens angekaufter Angebote aufzuheben und eine Verweildauergrenze von etwa 30 Tagen für diese vorzusehen. Darüber hinaus sollten Produktionen des europäischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks Eigen- und Auftragsproduktionen gleichgestellt werden. Insgesamt sollte die Mediathek zu einem vom linearen Programm unabhängigen Angebot ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang könne geklärt werden, ob und inwiefern öffentlich-rechtliche Produktionen auch ausgewählten Dritten (Gebietskörperschaften, NGOs, usw.) zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Gutachter halten fest, dass das Vollangebot und auch die Vollprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wegen der integrierenden Wirkungen ihre Rechtfertigung behielten. Das Prinzip einer dem Voll-Sortiment angemessenen Programmmischung sei auch in Zeiten des Cloud-TV sinnvoll. Um die Verbreitung und Auffindbarkeit öffentlich-rechtlicher Inhalte zu verbessern, solle eine intensivere Präsenz auf Drittplattformen ermöglicht werden. Dabei auftretende Fragen bedürften einer gesetzlichen Regelung. Die Webportale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnten verstärkt dazu genutzt werden, eine Plattformfunktion, insbesondere für die Angebote anderer Kultur- oder Wissenschaftseinrichtungen, wahrzunehmen. Allerdings müsste der Gesetzgeber hierfür die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle die neuen Möglichkeiten der Partizipation, die das Internet eröffne, nutzen dürfen, um am Erhalt eines offenen Kommunikationsraums mitzuwirken. So könne der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration leisten. http://ly.zdf.de/TDvRA/ http://twitter.com/ZDFpresse Ansprechpartner: Presse-Desk, Telefon: 06131 - 70-12108, pressedesk@zdf.de Fotos sind ab 15.00 Uhr erhältlich über ZDF Presse und Information, Telefon: 06131 - 70-16100, und über https://presseportal.zdf.de/presse/zdffernsehrat
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