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Mainz (ots)
Sonntag, 5. Februar 2017, 24.00 Uhr Precht Verlust der Mitte - Wohin driftet unsere Gesellschaft? Richard David Precht im Gespräch mit Nikolaus Blome, Journalist Die nächste Bundestagswahl wird maßgeblich im Kampf um die Mitte entschieden. Doch wer oder was ist eigentlich die Mitte unserer Gesellschaft? Wie stark ist sie bedroht? Richard David Precht diskutiert mit dem Journalisten Nikolaus Blome, dem stellvertretenden Chefredakteur der BILD-Zeitung, warum unsere Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet und warum Populismus so populär geworden ist. Warum berufen sich alle etablierten Parteien stets darauf, die sogenannte Mitte zu repräsentieren? Und warum verlassen die Menschen derzeit in Scharen überall in Europa diese bürgerliche Mitte und wählen rechtspopulistische Parteien? Oder entscheiden sich, wie in den USA, für einen populistischen Präsidenten Trump? Die Gesellschaft scheint auseinanderzudriften und die Mitte schwindet zwischen dem wachsenden Reichtum weniger und der zunehmenden Verarmung vieler. Mit der Mitte scheint auch das zu verschwinden, was man früher einmal "bürgerliche Tugenden" nannte. Erleben wir gerade den Auflösungsprozess einer zweihundert Jahre alten "bürgerlichen Gesellschaft"? Mit der digitalen Revolution steht unsere Gesellschaft vor einschneidenden Veränderungen. Viele Selbstverständlichkeiten wie dauerhafte Beschäftigung, wirtschaftliches Wachstum, soziale Identität oder gesellschaftliche Solidarität sind bedroht. Der grundsätzliche Glaube an eine sich auf natürliche Weise selbst regulierende Gesellschaft ist erschüttert. Die soziale und ökonomische Ungleichheit steigt, das Privileg guter Herkunft und Bildung scheint wieder so relevant zu sein wie in vergangenen Jahrhunderten. Dass sich Leistung tatsächlich noch lohnt, glauben immer weniger Menschen. Waren vor 20 Jahren noch über 69 Prozent in einem Vollzeitjob mit Sozialversicherungspflicht, sind es heute noch 39 Prozent. Die Deregulierung der Arbeit hat die Konjunktur angekurbelt, aber die Mitte der Gesellschaft entzwei gerissen. In jene, die dank ihrer Privilegien aufsteigen können und jene, die abzurutschen drohen. Auch das Bild von Öffentlichkeit hat sich gewandelt. Sie findet immer weniger im tatsächlichen realen Raum statt, sondern verlagert sich mehr und mehr in die sozialen Netzwerke des Internets. Dort aber begegnet sich nicht eine natürlich durchmischte Gesellschaft. Man findet sich vornehmlich in Foren und Netzwerken zusammen, um mit Gleichgesinnten seine Meinung bestätigt zu bekommen. Fake-News und Halbwahrheiten werden zu neuen Wahrheiten, die in das eigene Weltbild passen. So aber verliert die bürgerliche Mitte ihre Dialogfähigkeit, ihre gelebte Solidarität nach innen und außen.
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