ZDF-Programmhinweis
Donnerstag, 23. Oktober 2003, 21.15 Uhr, auslandsjournal
Mainz (ots)
Donnerstag, 23. Oktober 2003, 21.15 Uhr auslandsjournal mit Nikolaus Brender
Das Geheimnis der kleinen Göttin Glück und Unglück der Kumari in Nepal
300 Jahre soll es her sein. Laut Legende beleidigte der damalige nepalesische König die schöne Schutzgöttin Taleju mit seinem sexuellem Verlangen. Die entsetzte Göttin versprach, nur im Körper einer Kumari - der "Jungfräulichen" - wiederzukehren. So gelobte der König, Taleju künftig in Gestalt des Kindes anzubeten. Der hinduistische Kumari-Kult war geboren. Seither verneigt sich jeder nepalesische König einmal im Jahr vor der Kindgöttin und erbittet ihren Segen. Zeremoniell bekleidet, geschmückt und geschminkt wird die neue, jetzige Kumari-Göttin aus ihrem Elternhaus abgeholt. Die Straße, die zu ihrem neuen Wohnsitz im Kumari-Tempel führt, wird mit weißen Tüchern ausgelegt. Ab jetzt dürfen die Füße des kleinen Mädchens den Boden nicht mehr berühren. Bis zu ihrer Abdankung bleibt die Kindergöttin im Tempel eingeschlossen. Sie spielt nicht mit anderen Kindern in der Sonne, geht nicht in die Schule. Laut weinen oder lachen ist verboten. Denn dabei, so heißt es in Nepal, kann die Gottheit die Kumari verlassen. Um Göttin zu werden, muss ein Mädchen 32 Voraussetzungen erfüllen. Sie soll makellos schön sein, "den Körper eines Feigenbaums und die Schenkel eines Rehs" haben. Vor allem aber soll eine Kumari, die Verkörperung der starken Göttin Taleju, furchtlos sein. Dies wird in einem harten Test geprüft. Die Kandidatinnen werden in einen Tempelraum geführt, in dem sich ausgehöhlte Köpfe von Büffeln und Ziegen befinden, von innen mit Kerzen beleuchtet. Diejenige, die nicht weint, soll die Auserwählte sein. Große Macht hat die Göttin über den Gemütszustand der Nation. Ihr werden hellseherische Fähigkeiten zugesprochen. Die Gesichtsregungen einer Kumari bedeuten viel: Ein Lächeln könnte Reichtum, ein Augenreiben dagegen Unglück bringen. Mit dem Eintritt in die Pubertät muss die Kindgöttin ihren Platz allerdings für eine jüngere Nachfolgerin räumen. Auf einmal werden die Mädchen zu "Normalsterblichen". Die Integration in den Alltag fällt den meisten von ihnen schwer. Rashmila, die ehemalige Kumari, erzählt: "Ich war wirklich besonders, ich segnete die Menschen, mich besuchte der König". Danach musste sie in die Schule gehen und mit zwölf Jahren neben ihrem kleinen Bruder in der zweiten Klasse sitzen. Rashmila ist für den Alltag außerhalb des Tempels absolut unvorbereitet. Sie kann nicht schreiben und lesen, hat keine Freunde. Schon ein einfacher Spaziergang ist eine neue Erfahrung, denn niemand mehr legt für sie die Straße mit weißen Tüchern aus.
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