ZDF-Magazin "Frontal 21": Auswärtiges Amt verhinderte Verfolgung von Nazi-Verbrechern
Simon Wiesenthal Center: "Ein Ministerium, das gegen die Ziele der Regierung arbeitete"
Mainz (ots)
Diplomaten des Auswärtigen Amtes setzten sich nach Kriegsende häufiger für NS-Kriegsverbrecher ein. Darüber berichtet das ZDF- Magazin "Frontal 21" in der Sendung heute, 19. April 2005, 21.00 Uhr. Verschiedene Botschaften und Generalkonsulate verschafften wiederholt NS-Tätern wie dem KZ-Arzt Mengele, nach denen international gefahndet wurde, deutsche Pässe und warnten sie vor geplanten Verhaftungen. "Frontal 21" liegen hierzu Dokumente vor.
Als der israelische Geheimdienst Mossad den Organisator des NS- Massenmords, Adolf Eichmann, im Mai 1960 aus Argentinien nach Israel entführte, wurde diese Aktion vor dem Auswärtigen Amt in Bonn geheim gehalten. Den an der Aktion Beteiligten sei nämlich klar gewesen, dass, "wenn diese Information in die Hände von deutschen Diplomaten oder der Botschaft in Buenos Aires fällt, Eichmann sofort gewarnt, verschwinden und nie vor Gericht gestellt werden würde", erklärt Efraim Zuroff, Direktor des Simon Wiesenthal-Centers Jerusalem, gegenüber "Frontal 21". "Das war im Grunde genommen eine Revolte innerhalb der Regierung: ein Ministerium, das gegen die Ziele der Regierung arbeitete. Das ist absolut ungeheuerlich", so Zuroff weiter.
Das Auswärtige Amt tat nach Einschätzung Zuroffs alles, um sicher zu stellen, dass diese Verbrecher nie vor Gericht gestellt werden. Er fordert daher, dass die geplante Historiker-Kommission, welche die Rolle des Auswärtigen Amts während der NS-Diktatur und im Nachkriegs- Deutschland jetzt aufarbeiten soll, die Namen derjenigen Diplomaten veröffentlicht, die Nazi-Verbrecher unterstützt und vor einer Bestrafung geschützt haben.
Der Freiburger Historiker Bernhard Brunner erhebt gegenüber "Frontal 21" den Vorwurf, dass es der Zentralen Rechtsschutzstelle im Auswärtigen Amt niemals darum ging, zur Aufklärung der nationalsozialistischen Verbrechen beizutragen. "Es ging ihr allein darum, die Zahl der im Ausland verfolgten Deutschen zu verringern und möglichst viele herauszupauken." So wurde auch Alois Brunner, der nach Eichmann meistgesuchte NS-Verbrecher, "vom Auswärtigen Amt über das Deutsche Rote Kreuz und dann über das Österreichische Rote Kreuz gewarnt, nicht in seine österreichische Heimat zurückzukehren."
Besonders mit Blick auf Frankreich bezeichnet der Freiburger Historiker gegenüber "Frontal 21" die Bilanz der Strafverfolgung als "Katastrophe" únd "Skandal". Für mehr als 70 000 ermordete Juden in Frankreich wurden seiner Kenntnis nach von der deutschen Justiz nur drei Täter verurteilt. Das war seiner Einschätzung nach nur möglich, weil die Zentrale Rechtsschutzstelle des Auswärtigen Amtes in den 50er und 60er Jahren auf eine sehr effektive Weise die Strafverfolgung hintertrieben habe.
Nach Ansicht des ehemaligen Generalkonsuls Manfred Steinkühler, der bis 1991 mehr als 25 Jahre in verschiedenen Positionen als Diplomat tätig war, seien solche Vorgänge vor allem deshalb möglich gewesen, weil "es so etwas wie einen Korpsgeist im Auswärtigen Amt gegeben hat, der maßgeblich bestimmt worden ist durch die ehemaligen Nationalsozialisten, die nach dem Krieg in das Auswärtigen Amt wieder Aufnahme gefunden haben, und dem sich dann die Neu- Hinzugekommenen, also der Nachwuchs, gebeugt hat."
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