CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Böhmer
Heinen: Nationale Bildungsoffensive starten
Berlin (ots)
Die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Maria Böhmer MdB, und die Vorsitzende der Jungen Gruppe, Ursula Heinen MdB, erklären zum Arbeitskräftebedarf in der IT- Branche:
Der Plan der Bundesregierung, die Arbeitserlaubnis für Nicht-EU-Ausländer in der Informations- und Kommunikationsbranche zu erleichtern, hat grundlegende Mängel unseres Bildungssystems, aber auch unseres Arbeitsmarktes, offen gelegt. Obwohl es augenscheinlich einen hohen Arbeitskräftebedarf in einigen Branchen gibt, hat es die Bundesregierung bislang versäumt, eine grundlegende Ursachenanalyse und daraus resultierend ein Entwicklungskonzept vorzustellen.
Deshalb hat die Junge Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gemeinsam mit den Arbeitsgruppen Wirtschaft und Technologie sowie Bildung und Forschung eine Expertenanhörung mit Vertretern der Wirtschaft, Gewerkschaften, der Arbeitsverwaltung und der Hochschulen geführt.
Das Gespräch hat ergeben:
Die zur Zeit diskutierte Zahl von ca. 75.000 fehlenden IT-Spezialisten ist eine reine Schätzung. Es gibt keine belegte Aussage über den tatsächlichen Bedarf an Fachkräften in der IT-Branche. Eine Internet-Hotline der Bundesanstalt für Arbeit (www.arbeitsamt.de/hst/services/it_hotline/index.html), in der Unternehmen IT-Stellenangebote melden können, hat bislang nur eine Meldung von 7.000 Stellenangeboten und 1.000 offenen Ausbildungsstellen erbracht.
Die Ursachen für den Arbeitskräftebedarf sind vielschichtig:
1. Die Unternehmen haben zu wenige Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt: Im Januar 2000 haben sich doppelt so viele junge Leute um eine Ausbildungsstelle in einem der IT-Berufe beworben wie Ausbildungsplätze angeboten wurden. Bis Januar 2000 waren bei den Arbeitsämtern 9.451 Ausbildungsstellen gemeldet; die Bewerberzahl lag bei 18.574. Im vergangenen Jahr sah das Verhältnis zwischen Ausbildungsplätzen und Bewerbern ähnlich aus: So wurden 1999 12.900 Ausbildungsverträge abgeschlossen, beworben hatten sich 22.000 junge Leute.
Einer der Gründe dafür ist, dass gerade vielen jungen Unternehmen der IT-Branche die Ausbildungsberechtigung fehlt. Neu gegründete Firmen sind in die gängigen Wirtschafts- und Sozialpartnerstrukturen kaum eingebunden. Für die Möglichkeit, Ausbildungsverbünde einzugehen, sollte bei den jungen Unternehmen deshalb verstärkt geworben werden.
2. Die vier neuen von Jürgen Rüttgers eingeführten IT-Berufe stoßen bei Klein- und Mittelbetrieben auf hohe Akzeptanz. Gleichzeitig besteht aber die Notwendigkeit, die Ausbildung weiter zu modernisieren und flexibler zu gestalten. Die modulare Ausbildung bietet hierfür geeignete Entwicklungsmöglichkeiten.
3. Arbeitslose IT-Experten, die älter als 40 Jahre sind, werden von den Unternehmen so gut wie gar nicht mehr eingestellt - mit dem Argument, sie seien zu alt und nicht mehr flexibel genug für die Branche. Die Vermittlung bei den jüngeren Arbeitslosen ist deshalb sehr zügig, während die Vermittlung Älterer immer schwieriger wird. Das ist so nicht akzeptabel. Das Know-How gerade älterer Experten gilt es zu nutzen.
4. Der IT-Arbeitsmarkt ist durch eine hohe Bewegung gekennzeichnet: Insgesamt sind derzeit rund 32.000 IT-Spezialisten bei den Arbeitsämtern arbeitslos gemeldet - allein in den ersten drei Monaten des Jahres meldeten sich 14.500 EDV-Fachleute neu arbeitslos. Es gab aber auch 15.000 Abgänge und 6.000 Vermittlungen. Allerdings: Die Unternehmen nehmen nur zu einem geringen Teil die Arbeitsämter in Anspruch.
5. Der Frauen-Anteil in der IT-Branche ist sehr niedrig: So liegt ihr Anteil an den neuen Ausbildungsverträgen lediglich bei 13 Prozent - wobei die Tendenz langsam ansteigend ist. Von den erfolgreichen Hochschulprüfungen im Fach Informatik entfielen 1998 nur elf Prozent auf Frauen. 1993 waren es immerhin noch siebzehn Prozent.
6. Die IT-Branche verlangt ein hohes interdisziplinäres Wissen. Neben dem eigentlichen Informatik-Fachwissen sind Kenntnisse des Marketing oder des kaufmännischen Bereichs erforderlich und die Fähigkeit zur Team- und Projektarbeit. Dies ist ein sehr hoher Anspruch, den nicht alle Bewerber erfüllen können.
7. Die mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung in den Schulen spielt eine immer geringere Rolle, was schließlich auch in Ergebnissen internationaler Studien (TIMMS zu Mathematik) zum Ausdruck kommt. Deutschland nimmt dabei nur einen mittleren Platz ein.
8. Den Berufsschulen fehlen geeignete Lehrkräfte. Ursachen sind die Überalterung vieler Lehrkräfte und deren fehlende Qualifizierungen im IT-Bereich.
9. Die Zahl der Studierenden im Fach Informatik hat sich zwischen 1990 und heute nur langsam gesteigert (1990: 13.000 Studierende, 2000: 20.000 Studierende). Mitte der 90er Jahre hatte die Wirtschaft vor einem Überangebot von Informatikern gewarnt. Symptomatisch: Studiengänge wie in Hildesheim/Niedersachsen wurden geschlossen.
10. An den Hochschulen herrscht ein Mangel an Lehrkräften. Ursache dafür ist zum großen Teil die starre Bezahlung im Öffentlichen Dienst. Private Unternehmen werben qualifizierte Lehrkräfte und Assistenten der Hochschulen mit wesentlich höheren Gehaltszahlungen ab.
Die Diskussion hat nachdrücklich gezeigt: Das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt in Deutschland müssen sich wandeln. Informationstechnologien und New Economy stellen uns vor neue Herausforderungen. Wir brauchen eine nationale Bildungsoffensive und wir müssen uns von veralteten Strukturen lösen.
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