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Lamers: Jetzt muss Europa Flagge zeigen

Berlin (ots)

Zur Frage der Beteiligung der Bundeswehr an einer
Schutz-Mission in Afghanistan erklärt der außenpolitische Sprecher
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers MdB:
Nach der Petersberger Vereinbarung zur inneren Neuordnung
Afghanistans ist die Internationale Gemeinschaft aufgefordert, den
neuen Strukturen des Landes wirksamen Schutz zu geben. Die Zeit
drängt. Bis zum 22. Dezember müssen entsprechende Verbände vor Ort
einsatzbereit sein. Deutschland darf sich seiner Verantwortung auch
hier nicht entziehen.
Nachdem die Bundesregierung sich als Ausrichter der UN-geführten
Petersberger Gespräche nach deren vorerst relativ erfolgreichem
Ausgang friedensstiftend in Szene gesetzt hat, kann sie sich einer
Teilnahme an den militärischen Schutzkomponenten des Abkommens nicht
verwehren. Sie ist dringend aufgefordert, endlich Klartext zu
sprechen: Bei dieser Aufgabe wird es sich zweifellos um den
gefährlichsten und risikoreichsten Einsatz handeln, den die
Bundeswehr bislang zu bestehen hatte. Die mit großer Brutalität
geführten Auseinandersetzungen in Afghanistan sind noch lange nicht
beendet, das Risiko - gerade auch verdeckter und terroristischer
Operationen - wird uns noch lange begleiten.
Im Gegensatz zu den lauwarmen Äußerungen des
Bundesverteidigungsministers muss die Bundesregierung ein
unzweifelhaftes und glaubwürdiges Bekenntnis ablegen, ob sie eine
Teilnahme an dieser Operation als vitales deutsches Interesse sieht
und damit auch die Risiken offen anzusprechen und zu schultern bereit
ist.
Dabei darf die Bundesregierung ihren Kardinalfehler vom Petersberg
keinesfalls wiederholen, als sie es aus kurzsichtigen und
innenpolitischen Erwägungen für unnötig hielt, die Anwesenheit der EU
sichtbar werden zu lassen - ein geradezu groteskes Verhalten
angesichts der Tatsache, dass wenige Tage später eigens ein
EU-Beauftragter für Afghanistan benannt werden soll, der u.a. die
massiven Finanzmittel der EU zur Gesundung des krisengeschüttelten
Landes, die derzeit in Brüssel vorbereitet werden, zielgerichtet
einsetzen soll.
Der Bundesregierung kann nur dringend geraten werden, jetzt, wenn
über die Zusammensetzung der unter der Ägide der Vereinten Nationen
stehenden Schutztruppe verhandelt wird, die EU mit allen Kräften ins
Spiel zu bringen.
Die Ausgangslage ist evident: Die Nato wird als solche diese
Operation aus vielfältigen Gründen, unter anderem weil sie stark mit
den USA identifiziert wird, nicht führen können. Alles läuft demnach
auf die Mandatierung einer eigens für diesen Zweck gebildeten
Koalition von Staaten hinaus. Ausschließlich muslimische und
muslimisch geprägte Länder, werden hierzu nicht genügen, auch zumal
die militärisch stärksten unter Ihnen vielfältige Beziehungen zu
bestimmten Interessengruppen in Afghanistan pflegen.
Es bleibt als bestmögliche Option eine Kooperation der militärisch
bedeutenderen Länder der EU, die eine schlagkräftige Einheit bilden
können, um ein unbedingt robust auszustattendes Mandat der Vereinten
Nationen umzusetzen - dies durchaus gemeinsam mit einigen
muslimischen Ländern, die, wie in Bosnien-Herzegowina, in ihre Reihen
aufgenommen werden können.
Da der gegenwärtige Zustand des im Aufbau befindlichen eigenen
militärischen Arms der EU, der europäischen Eingreiftruppe, entgegen
den Absichtsbekundungen offensichtlich noch weit von einer
tatsächlichen Einsatzbereitschaft entfernt ist, würde eine derartige
Koalition auf diverse Fähigkeiten der Nato zurückgreifen müssen und
damit auch den Rückhalt Amerikas haben. Die Möglichkeiten hierzu sind
gegeben, insbesondere nachdem die Türkei ihren Widerstand anscheinend
abgeschwächt hat, und im konkreten Fall Afghanistans ohnehin eine
bedeutende Rolle innerhalb der Operation übernehmen könnte.
Bleibt also das Entscheidende: Der politische Wille vor allem
Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesregierung, einen solchen
Weg zu gehen, und die Unterstützung durch die Vereinigten Staaten,
den Zugang zu den erforderlichen Kapazitäten der NATO zu gewähren.
Wir dürfen uns nichts vormachen: Die spezielle Situation in und um
Afghanistan und insbesondere die Rolle der USA im Kampf gegen den
Internationalen Terrorismus bedeuten für die EU eine bislang nicht
gekannte Herausforderung. Ihr Verhalten in dieser konkreten Lage wird
präjudizierenden Charakter haben. Unsere Europäischen Partner und
insbesondere die Bundesregierung dürfen diese Chance nicht verpassen.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich für diese wahrhaft
europäischen Interessen Deutschlands mit Nachdruck einzusetzen. Es
ist schwer verständlich, dass bislang offensichtlich keinerlei
hinreichend konkrete Überlegungen in diese Richtung erfolgt sind und
stattdessen parteipolitische Alibi-Diskussionen über den angeblich
harmlosen Charakter einer Friedensmission geführt werden.
Gleichzeitig ist die Bundesregierung aufgefordert, bei der für den
anstehenden EU-Gipfel geplanten Erklärung zur Einsatzbereitschaft der
Europäischen Eingreiftruppe unverblümt klarzustellen, dass diese in
Wahrheit rein theoretischen und partiellen Charakter hat. Der
konkrete Fall Afghanistan lehrt, dass die sträflichen Versäumnisse
der letzten Monate umgehend korrigiert werden müssen, da Europa den
USA sonst nur schwerlich ein verlässlicher und ernstzunehmender
Partner sein wird.

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Tel.: (030) 227-52360
Fax: (030) 227-56660
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