„Flucht in den Osten – G.I.s in der DDR“: MDR-Doku erzählt kaum beleuchtete DDR-Geschichte(n)
Leipzig (ots)
NATO-Soldaten, die in die DDR flohen? Was auf den ersten Blick nach Agenten-Thriller und diplomatischer Spannung im Kalten Krieg klingt, hat reale Vorbilder. Und bei denen ging es oft um sehr menschliche und teils tragische Geschichten. „Flucht in den Osten – G.I.s in der DDR“ erzählt davon. Zu sehen ist die MDR-Doku ab dem 16. Mai in der ARD Mediathek sowie ebenfalls am 16. Mai um 22.10 Uhr im MDR-Fernsehen.
Als Anfang der 90er Jahre die Stasi-Akten zugänglich gemacht wurden, entdeckten Historiker die ungewöhnliche Geschichte von mehr als 200 NATO-Soldaten, die in den 50er und 60er Jahren in die DDR desertierten. Die größte Gruppe unter ihnen waren Amerikaner. Ging es dem einen oder anderen um den Glauben an den „Sieg des Kommunismus“, war der Beweggrund gerade für People of Color (PoC) meist ein anderer: Sie flohen vor Rassendiskriminierung. Nicht selten ging es darum, die aus Europa stammende Freundin heiraten zu dürfen, was ihnen in ihrer Armee verwehrt war. Filmemacherin Sigrid Faltin hat die Geschichten dieser G.I.s verfilmt und dabei eine kaum bekannte DDR-Nische erforscht.
So begleitet der Film die in Hoyerswerda geborene Mira Hutto (35), die mehr über ihren verstorbenen Vater Ray erfahren will. Raymond Hutto floh 1954 vor einer Strafverfolgung der US-Armee in die DDR, war mehrfach verheiratet und hatte mehrere Kinder. Miras Weg führt unter anderem ins Stasi-Unterlagenarchiv, nach Bautzen in die Villa Weigang, wo alle Deserteure von der Stasi auf Herz und Nieren durchleuchtet wurden, und schließlich zur Adresse eines bislang unbekannten Halbbruders.
Im Rampenlicht der DDR-Unterhaltungsbranche
Die Geschichte James W. Pulleys führt dagegen ins Rampenlicht: Nach seiner Flucht und einer Lehre als Kesselschmied in Görlitz wird er ein bekannter Sänger. Unterstützt von seiner großen Liebe Ursula mischt er die DDR-Unterhaltungsbranche auf, covert Harry-Belafonte-Stücke und tritt häufig zusammen mit Schlagerstar Dagmar Frederic auf, die mit den beiden und über James Tod hinaus mit Ursula eine enge Freundschaft verbindet.
Amerika-Experte im DDR-Fernsehen
Deutlich anders liegt die Geschichte bei Stephen Wechsler aus New York: Er wächst in einer kommunistischen Familie auf, wird beim Studium in Harvard vom FBI überwacht. Als er zur Armee muss, verschweigt er seine Zugehörigkeit zu mehreren in der McCarthy-Ära verbotenen kommunistischen Organisationen. Als dies aufzufliegen droht, flieht er. Unter dem Decknamen „Victor Grossman“ studiert er Journalismus in Leipzig und wird schließlich „der“ Amerika-Experte, der im DDR-Fernsehen die US-Politik erklärt. Grossmann weint, als die Mauer fällt – noch heute ist der mittlerweile 95-Jährige ein überzeugter Linker mit standesgemäßer Adresse in der Berliner Karl-Marx-Allee.
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