Deniz Yücel im Gespräch mit Bärbel Schäfer: "Sich zu verkrachen, funktioniert auch im Knast"
Hamburg (ots)
Während der langen Isolationshaft im türkischen Hochsicherheitsgefängnis wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda hat der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel viel Solidarität erfahren. "Wenn es in der Öffentlichkeit mucksmäuschenstill gewesen wäre, während ich im Gefängnis sitze, hätte mich das fertiggemacht", sagt Yücel im Gespräch mit Bärbel Schäfer für EMOTION (Heft 11/19 ab morgen im Handel, www.emotion.de). Die Öffentlichkeit, Anwälte, Politik und Familie hätten ihm Kraft gegeben für seinen Widerstand gegen die Politik von Staatspräsident Erdogan. Noch wichtiger dabei war seine Beziehung: "Unsere Liebe hat allem standgehalten. Meine Frau war am nächsten an mir dran. Dilek hat die Fäden zusammengehalten und hat alles gemacht, was zu machen war, ob mir neue Socken schicken oder Kaffee mit Angela Merkel trinken. Dabei hat sie sich selbst in Gefahr begeben", sagt der 46-Jährige, der in Haft die Fernsehproduzentin Dilek Mayatürk heiratete. "Dilek und ich kannten uns nicht so lange vor meiner Verhaftung, wir haben sogar mal überlegt, uns zu trennen. Unsere Beziehung war vieles, aber nicht gefestigt. Wir haben geheiratet, damit wir uns überhaupt sehen konnten. Nur fand die Hochzeitsparty ohne mich statt." Oft blieb dem Paar nur die schriftliche Kommunikation. "Natürlich gab es auch nicht so freundliche Notizen. Überreaktionen, Ängste auf beiden Seiten. Sich zu verkrachen, funktioniert auch im Knast. Sich aussprechen und versöhnen ist viel schwieriger", sagt Deniz Yücel, dessen Durchhaltestrategie die "ständige Feindanalyse" und das Schreiben war. So hat er Momente der Verzweiflung überstanden. "Die Misshandlungen haben mich stark verunsichert. Aber da bin ich schnell in den Analysemodus gegangen."
Deniz Yücel bleibt auch nach seiner Freilassung in Aktion, sein Widerstand ist ungebrochen. Gerade ist sein Buch "Agentterrorist" erschienen. Zu den "Spätfolgen" seiner Haft hält er sich bedeckt: "Ich will dazu nicht viel sagen, und zwar aus folgendem Grund: Es gab da keinen geschützten, intimen Raum. Darum habe ich in meinem Buch persönliche Dinge erzählt, die die Staatsmacht ohnehin mitbekommen hat. Diese erzwungene Intimität kann ich nur abstreifen, indem ich sie öffentlich mache. Aber das, was selbst der Überwachung im Hochsicherheitsgefängnis entgangen ist, möchte ich nicht ausbreiten. Freiheit ist auch das Recht auf Intimität", sagt Deniz Yücel in EMOTION.
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