WDR Fernsehen: Zwischen Heimat und Fremde
Die Bustour durch die Türkei
Eine Reise-Reportage von Christian Dassel
Sonntag, 19.09.2010, 15.30 Uhr
Düsseldorf (ots)
Wie sagte Mustafa Kemal Atatürk: "Ne mutlu Türküm diyene!": Glücklich ist, der sich Türke nennen darf. Die Bustour der Aktuellen Stunde leitete davon ihr Motto ab: Ne mutlu Türkiye ile tanisana - glücklich ist der, der die Türkei bereisen darf. WDR-Autor Christian Dassel reiste vier Wochen lang mit seinem Team von Istanbul über Antalya und Alanya über Mersin bis nach Kapadokien. Er traf Menschen, die sich zwischen Heimat und Fremde entscheiden mussten. Menschen, die gar nicht genau wissen, wo Heimat und wo Fremde ist. Menschen, die noch immer darauf warten, endlich irgendwo anzukommen.
Cigdem Akkaya hatte sich in Deutschland nie so richtig wohl gefühlt. "Man hat mir den Eindruck vermittelt, ich sei anders. Auch nach 20 Jahren, die ich in Deutschland gelebt habe. Ich habe mich nach einem Ort gesehnt, an dem keiner meine Identität in Frage stellt, an dem man automatisch annimmt, ich gehöre dazu." Deshalb zog sie vor drei Jahren nach Istanbul und machte wieder eine befremdliche Erfahrung: "Ich bin hier weder deutsch noch türkisch. Ich bin eine Deutschländerin." So nennen die Türken die Landsleute, die lange in Deutschland gelebt haben und entsprechend sozialisiert sind. Sie kommen zurück in die Heimat und sind doch nicht zuhause. Weil viele Deutschländer diese Erfahrung machen mussten, hat Cigdem Akkaya einen Rückkehrer-Stammtisch gegründet. 12 Mitglieder waren es am Anfang, mittlerweile sind es über 1000. Christian Dassel hat Cigdem Akkaya in Istanbul besucht.
In Antalya erzählt Sefa Aydogar seine Geschichte. Sein Vater war Bergmann in Duisburg-Walsum. Sefa hatte deutsche Freunde, sprach kaum türkisch, spielte in Walsum Fussball und war ganz und gar glücklich. Plötzlich aber war alles anders. Vater Haydrullah wollte zurück. Sofort, von einem Tag auf den anderen. "Es war schrecklich für mich. Ich wollte nicht in die Türkei. Das war ein fremdes Land für mich. Auch meine Mutter wollte unbedingt in Duisburg bleiben. Wir hatten Angst, zurück zu gehen." Haydrullah aber hatte Angst zu bleiben. Warum und wovor - das erfährt Christian Dassel bei seinem Besuch in Antalya.
Wenn man Heidi Friemann besuchen will, muss man einfach auf der südlichen Küstenstrasse Richtung Syrien fahren - dann kommt man automatisch in Büyükeceli vorbei. Besuch bekommt Heidi Friemann aber nur selten - und das ist ganz in ihrem Sinne. In ihrem ersten Leben wohnte sie in Bonn, und ihr Alltag war das Sterben. Bei der Aids Hilfe Bonn hat sie gearbeitet, sie war lange Jahre in der Hospizbewegung aktiv. Als sich Heidi Friemann pensionieren ließ, zog sie sich zurück, um alles zu verarbeiten. Sie lebt allein in einem wenig malerischen Dorf im Süden Anatoliens und versucht, Abstand zu gewinnen. Es geht jeden Tag ein bisschen besser - das hat sie dem Bustour-Team der Aktuellen Stunde eindrucksvoll bewiesen.
Wenn Heimat da ist, wo man sich wohl fühlt, dann war diese Bustour alles andere als ein Ausflug in die Fremde. Die Gastfreundschaft, die Herzlichkeit, die Offenheit und natürlich auch die atemberaubende Landschaft - für den Bus und seine Besatzung war diese Türkei-Erfahrung ein phantastisches Erlebnis: Ne mutlu Türkiye ile tanisana!
Ein Foto vom Bustour-Team finden Sie unter www.ard-foto.de
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