Günter Grass: "Deutsche Wirtschaft ist kaltschnäuzig und kleinlich" / Interview mit dem Literaturnobelpreisträger über Zwangsarbeiterentschädigung
Köln (ots)
Für den Literaturnobelpreisträger Günter Grass bleibt ein Gefühl der Beschämung zurück, wenn der Bundestag voraussichtlich am Mittwoch die Rechtssicherheit feststellt und damit die Auszahlung an ehemalige Zwangsarbeiter beginnen kann: "Die Zahlungsmoral der deutschen Wirtschaft ist von einer Kaltschnäuzigkeit und einer Hartherzigkeit ohnegleichen", sagt Grass in einem Fernseh- Interview, das am Montagabend in der WDR-Sendung "Polis" ausgestrahlt wird. Dass Woche für Woche hunderte ehemaliger Zwangsarbeiter wegsterben, habe man ungerührt angehört und abstrakt auf Rechtssicherheit gepocht. Grass: "Dass man nun auch noch kleinlich hinterher nicht die gesamten aufgelaufenen Zinsen auszahlen will, ist ein Beleg dafür, mit welcher Mentalität man es zu tun hat."
Positiv sieht der Schriftsteller das Verantwortungsgefühl der nachgeborenen Generation: "Ohne Druck der Öffentlichkeit und vieler einzelner Gruppen, gerade auch junger Leute wären wir nicht so weit gekommen. Aber: Die Blamage der deutschen Wirtschaft vor der Weltöffentlichkeit wird nicht wegzuwischen sein".
Aus Enttäuschung über die zögerlichen Einzahlungen der Wirtschaft in den Stiftungsfond, hat Güter Grass zusammen mit Hartmut von Hentig und Carola Stern im Sommer 2000 eine eigene Sammelaktion zugunsten ehemaliger Zwangsarbeiter gestartet. Über vier Millionen Mark hat man zusammenbekommen. "Aber wir haben einen Fehler gemacht," sagt Grass. "Denn wir haben das Konto der Stiftung angegeben, davon ausgehend, dass es gesondert geführt und das Geld gegebenenfalls vorher ausgezahlt werden kann. Doch das ist von Wirtschaftsseite blockiert worden. Aber ich hoffe, dass jetzt die vier Millionen - so wenig es sein mag - jetzt nicht einbezogen werden in das, was Regierung und Wirtschaft aufbringen müssen."
Das Interview mit Günter Grass wird Montagabend, den 28.Mai um 22.00 im WDR-Fernsehen in der Sendung "polis" ausgestrahlt.
Ausschnitte aus dem Interview können unter 0172 - 24 39 200 angefordert werden.
Weiter Informationen im Internet unter: http://www.wdr.de/online/polis/
Redaktion: Peter Schreiber
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