Plusminus: Experten sehen weitere Milliarden-Altlasten bei der Telekom
Köln (ots)
Trotz Bekanntgabe eines Rekordverlustes hat der neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Kai-Uwe Ricke, nicht wie angekündigt "reinen Tisch gemacht". Nach wie vor seien Altlasten in zweistelliger Milliarden-Höhe aus der Amtszeit von Ron Sommer in der Bilanz verborgen. Diesen Vorwurf erheben die Professoren Wolfgang Gerke, Bilanzexperte an der Universität Erlangen/Nürnberg, und Torsten J. Gerpott, Lehrstuhlinhaber für Telekommunikation an der Universität Duisburg/Essen, gegenüber dem ARD-Wirtschaftsmagazin "plusminus" (heute, 21.55 Uhr, im "Ersten"). So sei ein Wertverlust der deutschen UMTS-Lizenz von mindestens vier Milliarden Euro nicht verbucht worden. Außerdem liege die tatsächliche Verschuldung des Konzerns um rund sieben Milliarden Euro höher als die Bilanz ausweist.
Wolfgang Gerke, der in Nürnberg Bank- und Börsenwesen lehrt, kritisierte in der ARD die Praxis der Telekom, Schulden in die Zukunft und so aus der Bilanz heraus zu verlagern. So hat die Deutsche Telekom bereits in Milliardenhöhe künftige Einnahmen aus dem Festnetzgeschäft abgetreten und damit bilanzwirksame Kredite abgelöst. In noch größerem Umfang wurden Immobilien verkauft, die die Telekom jedoch für ihr Geschäft dringend benötigt und wieder zurückmietet. "Damit habe ich nicht viel gewonnen, außer dass ich die Bilanz ein bisschen schöner gemacht habe", erklärte Gerke gegenüber "plusminus".
Eine drastische Korrektur des UMTS-Lizenzwertes in der Bilanz forderte der Duisburger Professor Torsten J. Gerpott, der dem wissenschaftlichen Arbeitskreis der Regulierungsbehörde für Telekommunikation angehört. So wie für die Mobilfunk-Lizenzen in den USA geschehen, müsse die Telekom auch für den deutschen Markt eine Abschreibung vornehmen. Verändertes Kundenverhalten und neue Konkurrenztechnologien hätten die ursprünglichen Umsatzkalkulationen vollends unrealistisch gemacht. Die schon zu damaligen Bedingungen überteuert ersteigerte Lizenz sei jetzt, so Gerpott gegenüber dem WDR "sicherlich in der Höhe von vier bis acht Milliarden abzuschreiben." Derzeit steht die im Boomjahr 2000 ersteigerte UMTS-Lizenz mit knapp acht Milliarden Euro in den Büchern.
Die Deutsche Telekom, die gerade erst für das Geschäftsjahr 2002 einen Verlust von 24,6 Milliarden Euro bekannt geben musste, wies gegenüber "plusminus" die Vorwürfe als ungerechtfertigt zurück. Das Instrument, durch den Verkauf und das Zurückmieten von Immobilien bzw. die Abtretung von künftigen Einnahmen den aktuellen Schuldenstand in der Bilanz zu drücken, sei legal und werde nicht nur von der Deutschen Telekom angewendet.
Offensichtlich forciert das Unternehmen dieses Vorgehen sogar.
In der Amtszeit des neuen Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke wurde ein weiteres Geschäft in dreistelliger Millionenhöhe bekannt gegeben, mit dem künftige Einnahmen der Tochter T-Systems abgetreten werden.
Zur Frage nach dem Wert der UMTS-Lizenz erklärte die Deutsche Telekom, auch die aktuellen wirtschaftlichen Daten machten nach eigenen neuen Berechnungen keine Sonderabschreibung in der Bilanz notwendig.
Bereits im vergangenen Sommer hatte "plusminus" einen Abschreibungsbedarf von rund 20 Milliarden Euro für den US-Mobilfunkmarkt gemeldet. Auch dies war seinerzeit von der Telekom bestritten worden. Inzwischen hat der Konzern diese Abschreibungen vorgenommen.
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