WDR-Pressemitteilung: Irak-Umfrage von ARD, ABC, BBC und NHK: Große Mehrheit der Iraker für starken Führer statt Demokratie
Köln (ots)
Knapp ein Jahr nach dem Sturz Saddam Husseins ist weiterhin eine Mehrheit der Iraker für einen starken Führer statt für eine demokratische Regierungsform. Das ist ein Ergebnis einer großen Umfrage von ARD, ABC, BBC und NHK. Für einen einzelnen starken irakischen Führer sprechen sich demnach 47 % der Iraker aus, nur 28 % für eine irakische Demokratie und 10 % für eine religiöse Führung des Landes. Bei der letzten Umfrage im Herbst 2003 lag die Demokratie noch deutlich vor dem starken Führer. Auf Sicht von fünf Jahren gewinnt die Demokratie allerdings wieder an Zustimmung. Offensichtlich halten viele Iraker die Demokratie für ein schönes Ideal, trauen ihr aber nicht zu, die konkreten Probleme der Menschen zu lösen, erläutert Arnd Henze, stellvertretender Auslandschef und verantwortlicher Redakteur beim WDR.
Das angesehene Institut Oxford Research International hat im Auftrag der ARD und ihrer Partnersender ABC, BBC und NHK (Japan) im Februar 2.737 repräsentativ ausgewählte Iraker über 15 Jahre befragt. Die Ergebnisse im Einzelnen:
Im Rückblick auf den Krieg sind die Iraker gespalten: 42 % der Befragten verbinden mit dem Angriff der USA und ihrer Verbündeten die Befreiung des Iraks, 41 % bewerten den Krieg als Demütigung. Auf der Liste der drängendsten Probleme stehen Sicherheit, Arbeitsplätze und sauberes Wasser ganz oben. Auffallend ist, dass sich die Befragten eine verbesserte Sicherheit nicht von ausländischen Truppen erwarten, sondern vorrangig durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und durch die Ausbildung und Stärkung der örtlichen Polizei. Genau die Hälfte der Befragten erhofft sich auch vom Abzug der Koalitionstruppen eine Verbesserung der Sicherheit.
Kaum Rückhalt gibt es für politisch motivierte Gewalt im Irak. Während immerhin noch 17 % der Befragten Unterstützung für Anschläge gegen Besatzungstruppen zeigen (mit dramatisch höheren Werten in einzelnen Regionen), werden Attentate auf die irakische Polizei von 97 % der Bevölkerung abgelehnt.
Einig sind sich die Iraker im Bekenntnis zur nationalen Einheit: Ein politisch vereintes Land mit einer Zentralregierung in Bagdad wollen 79 %, 14 % bevorzugen einen föderalen Staat und nur 4 % unterstützen unabhängige Regionalstaaten (z.B. im Kurdengebiet). Die Umfrage belegt eine große Zufriedenheit der Menschen mit den Lebensbedingungen im sozialen Nahbereich sowie einen großen Optimismus gegenüber der Zukunft. Schulen, lokale Verwaltungen und die neue irakische Polizei bekommen die höchste Zustimmung und genießen das größte Vertrauen, während alle Institutionen der Besatzungs- und Übergangseinrichtungen extrem negativ bewertet werden. Die Iraker sehen ihre Zukunft in der Stärkung ziviler Institutionen wie Polizei, Bildung, lokaler Wirtschaft und Verwaltung. Die Umfrage-Ergebnisse sind in diesem Bereich so eindeutig, dass sie auch wichtige Hinweise für das ausländische Engagement beim Wiederaufbau des Landes geben, fasst Redakteur Arnd Henze zusammen.
Die Umfrage wurde im Februar nach streng wissenschaftlichen Maßstäben von irakischen Befragern durchgeführt, die dafür intensiv vorbereitet und trainiert wurden. Die Interviews konnten trotz der extrem angespannten Sicherheitslage vollständig durchgeführt und ausgewertet werden. Oxford Research International hat große Erfahrung mit Untersuchungen in Übergangsgesellschaften. Die Kooperation von ARD, ABC, BBC und NHK dokumentiert die politische Unabhängigkeit der Umfrage: die vier Sender repräsentieren Länder, die sich im Irakkonflikt unterschiedlich verhalten haben.
Die vollständige Umfrage ist im Internet unter www.tagesschau.de zu finden. Sie kann unter Verweis auf die ARD sowie auf Oxford Research International zitiert und interpretiert werden.
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Rückfragen: Arnd Henze, WDR-Programmgruppe Ausland, Tel. 0221/220-2382 Alexander Hack, WDR-Pressestelle, Tel. 0221-220 4869
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