Zum 80. Geburtstag von Friedrich-Wilhelm von Sell
Pleitgen: "Von Sell war ein glänzender Intendant - Er wäre es auch heute"
Köln (ots)
Der WDR hat heute seinen ehemaligen Intendanten Friedrich-Wilhelm von Sell mit einem Empfang zu dessen 80. Geburtstag (23. Januar 2006) geehrt.
WDR-Intendant Fritz Pleitgen sagte in seiner Rede, die Amtszeit von Friedrich-Wilhelm von Sell gehöre zu den aufregendsten und ertragreichsten Jahren der 50jährigen WDR-Geschichte. "Der WDR, die ARD und der öffentlich-rechtliche Rundfunk haben ihm viel zu verdanken. Er hat uns soviel mitgegeben, dass wir mit guten Chancen auch die Herausforderung des Informationszeitalters meistern können. Friedrich-Wilhelm von Sell war in seiner Zeit ein glänzender Intendant. Er wäre es auch heute."
Friedrich-Wilhelm von Sell habe als Verwaltungs- und Finanzdirektor des WDR die Grundlagen für eine sparsame Haushaltsführung mit dezentraler Mittelbewirtschaftung gelegt. "Aber er hatte ein Gespür, was unserer Gesellschaft und was dem Bürger und der Bürgerin anzubieten war. Wo andere in die weite Welt schauten, blickte er auf den Nachbarn", sagte Pleitgen. Ihm sei es um die "dialogische Situation zum Rundfunkteilnehmer, zum Hörer und zum Zuschauer" gegangen. Dazu habe der WDR in die Region gehen müssen. "Die Regionalisierung, die Hinwendung zum Land, ist zum Fundament unseres Programms und unserer Akzeptanz bei der Bevölkerung geworden", betonte Pleitgen.
"Es war gut, dass er damals dran war - nicht nur für den WDR, sondern auch für die ARD". Diese Jahre seien "eine Zeit großer Programme und weichenstellender Programm-Entscheidungen gewesen". Große Kunstwerke wie "Berlin Alexanderplatz" oder "Das Boot" wurden geschaffen. Nicht zu vergessen auch "Shoah" und "Rote Erde". Politisch und gesellschaftlich aufweckende Programme wurden durchgesetzt wie die "Holocaust"-Sendungen. Kein anderes Programm habe mehr Diskussionen hervorgerufen und mehr zur Emanzipation unserer Gesellschaft beigetragen als diese Serie. Von Sell sei bis heute ein leidenschaftlicher Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geblieben.
In einer anschließenden Gesprächsrunde würdigten unter der Leitung von Grimme-Chef Uwe Kammann ehemalige Weggefährten wie die Journalistin Alice Schwarzer, "Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert, der Journalist und Schriftsteller Ralph Giordano und der ehemalige WDR-Redakteur Heiner Lichtenstein Friedrich-Wilhelm von Sell.
Publizist Ralph Giordano betonte: "Dass Sie mich hier mit meinen 83 so wohl auf sehen, habe ich Herrn von Sell zu verdanken - nicht mehr und nicht weniger." Von Sell sei derjenige gewesen, der ihn als festen Redakteur gegen die Ansicht seines Verwaltungsdirektor in den WDR geholt habe. Er habe davor als freier Autor lange den Wunsch nach Zugehörigkeit und Integration in den Sender verspürt. Vorher sei diesem aber niemand nachgekommen. Alice Schwarzer sagte, sie schätze und liebe an Friedrich-Wilhelm von Sell, dass er sie nie auf eine Sichtweise reduziert habe. Sie attestierte von Sell, dass er selbstbewusste Frauen nicht nur ertrage, sondern für diese auch ein Faible habe. Giordano wie Schwarzer, die als junge Journalistin ebenfalls für den WDR gearbeitet hatte, bekannten, dass sie noch heute gerne ins Funkhaus kämen. Ulrich Wickert nannte von Sell "preußisch - aber im absolut positiven Sinn". Heiner Lichtenstein charakterisierte von Sell als einen ungezwungenen und lockeren Menschen im Umgang mit anderen, der aber immer ein "Herr" war. "Der interessierte sich wirklich, was seine Leute machten. Es war eine tolle Zeit, die neun Jahre mit von Sell."
Friedrich-Wilhelm von Sell betonte in Anspielung auf frühere Kon-flikte, er habe sich als Intendant nie ohnmächtig gefühlt - dennoch erinnere er sich an erlittene Niederlagen im letzten Jahr seiner Intendantenzeit. "Ich habe Freunde gehabt in meinem Leben, und ich habe Feinde gehabt in meinem Leben - und es ist gut, wenn das eigene Gewissen deutlich Auskunft darüber gibt, dass es jeweils die Richtigen gewesen sind", so von Sell.
Friedrich-Wilhelm von Sell war von 1976-1985 Intendant des West-deutschen Rundfunks. Zuvor, 1971-1976, war er Verwaltungs- und Finanzdirektor des Westdeutschen Rundfunks und Stellvertreter des Intendanten.
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