Kompressionstherapie heute
Eine Säule der Versorgung von Patienten mit venösen Beinerkrankungen
Dresden (ots)
Unter dem Motto "Wissen schaf(f)t Brücken" fand vom 7. bis 10. September ein gemeinsamer Kongress der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und den Österreichischen, Schweizer und Deutschen Gesellschaften für Angiologie in Dresden statt. Mitglieder der Expertengruppe Kompression des Starnberger Medical Data Instituts (MDI) erläuterten Bedeutung und Möglichkeiten dieser Therapieform. Dabei wurde deutlich, dass die Kompressionstherapie einerseits eine Säule der Therapie von Patienten mit Ulcus cruris venosum darstellt, zugleich aber Verbesserungsbedarf bei Kenntnissen und praktischer Anwendung besteht.
Prof. Dr. Joachim Dissemond erläuterte die individualisierte Anwendung der Kompressionstherapie auf Basis der aktuellen Entwicklungen. Seiner Ansicht nach bieten wissenschaftliche Erkenntnisse eine sichere Grundlage für Maßnahmen, die zur jeweiligen Patientensituation passen. Eine Vielzahl an Produkten ermöglichen dem Versorger, jedem Betroffenen eine für ihn individuell optimierte Versorgung zukommen zu lassen. Die weitverbreiteten Kurzzugbinden gehören, laut Dissemond, in die Hände von Experten. Eine Alternative stellen Mehrkomponentensysteme dar, die aus bis zu vier Komponenten bestehen. Einige Produkte verfügen über optische Markierungen, mit denen der therapierelevante Anlagedruck eingeschätzt werden kann. Auch adaptive Kompressionsbandagen bieten in dieser Hinsicht mehr Anwendersicherheit. Diese unelastischen Manschetten werden mit Klettverschluss fixiert und können von manchen Patienten selbständig angelegt werden. Diese Methode wird nach Dissemonds Einschätzung zukünftig weitere Verbreitung finden.
Prof. Dr. Knut Kröger erläuterte den heutigen Stellenwert medizinischer Thromboseprophylaxestrümpfe (MTPS). Sie dienen zur physikalischen Vorbeugung der Beinvenenthrombose und etablierten sich in den 80er Jahren. Die physikalische Wirkung der Kompression durch MTPS erhöht die Fließgeschwindigkeit des Blutes. Inzwischen hat die medikamentöse Thromboseprophylaxe große Fortschritte gemacht, so dass sich die Frage nach der heutigen Bedeutung MTPS stellt. Die Studienlage äußert sich zu diesem Themenfeld uneinheitlich, weshalb sich in der Folge auch die Leitlinien der Fachgesellschaften nicht eindeutig positionieren. Kröger stellte abschließend fest, dass zwar keine Evidenz für den flächendeckenden Einsatz besteht, die aktuellen Leitlinien ihrerseits jedoch keinen generellen Verzicht auf diese Maßnahme erlauben. Daher läge die Entscheidung in der Verantwortung des jeweiligen Arztes.
Kerstin Protz vom Hamburger Institut für Versorgungforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) stellte eine Studie zum Informationsstand der Patienten mit Ulcus cruris venosum vor. Diese deutschlandweite Erhebung ermittelte unter Einbindung von 177 Patienten Defizite in der Kompressionsversorgung: 30% verfügten bei Erfassung über keine Kompressionsversorgung. Es wurde ein größtenteils unsachgemäßer Umgang mit den verordneten Produkten festgestellt, wodurch sich die Qualität der Kompressionsmaterialien mindert und der Therapieerfolg in Frage steht. Zudem fehlte es den Befragten an Wissen um individualisierte Versorgungsmöglichkeiten. Protz unterstrich diesbezüglich die Wichtigkeit von Schulungen, sowohl des Personals als auch der Patienten.
In einem praxisnahen Workshop beleuchtete Protz anschließend einzelne Aspekte der Kompressionstherapie. Sie stellte An- und Ausziehhilfen vor, die den Umgang mit Kompressionsstrümpfen erleichtern und das Material schonen. Hierbei gelte es, mit dem Patienten, das individuell passende Produkt zu ermitteln. Zusätzlich konnten die Workshopteilnehmer eine adaptive Kompressionsbandage am eigenen Bein testen und die Anlage eines Kompressionsverbandes mit Kurzzugbinden üben.
In der Kompressionstherapie, als tragender Säule der Therapie von Menschen mit Ulcus cruris venosum, ist es angesichts der Ergebnisse von Forschung und Entwicklung und der Vielzahl an Produkten möglich, jedem Betroffenen eine individualisierte Therapie zukommen zu lassen. Basis hierfür ist die Verbreitung der Erkenntnisse der Wissenschaft unter den Anwendern, um in Zusammenarbeit mit dem Patienten das für ihn passende Produkt ermitteln zu können.
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