Was müssen Ärzte über die E-Zigarette wissen?
Wiesbaden (ots)
Rauchen ist der wichtigste Risikofaktor für die Atherosklerose. Den Ärzten, die Patienten mit atherosklerotischen Gefäßerkrankungen behandeln, fehlt es allerdings an grundlegenden Kenntnissen zur Vielfalt der Verfahren zur Raucherentwöhnung und Risikoreduktion. Außerdem gibt es international eine neue Diskussion über die Rolle von E-Zigaretten und Tabakerhitzern, die aktuell ohne Beteiligung von Kardiologen, Angiologen und Gefäßchirurgen stattfindet.
Die S3-Leitlinie "Screening, Diagnostik und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums" aus dem Jahr 2015 schreibt, dass Raucher, die den Tabakkonsum beenden wollen und denen eine Medikation zur Tabakentzugsbehandlung angeboten wird, eine begleitende Beratung zur Unterstützung des Rauchstopps erhalten sollen. Wenn verfügbar und angemessen, soll bei Verwendung von Medikamenten eine Kombination mit einem verhaltenstherapeutischen Tabakentwöhnungsprogramm angeboten werden. Die Leitlinie setzt sich bereits mit der elektronischen Zigarette (E-Zigarette) auseinander und führt aus, dass diese Produkte als potentielles Mittel der "Harm Reduction" drei Gruppen von Rauchern ansprechen: a) Raucher, die nicht mit dem Rauchen aufhören wollen, b) Raucher, die erfolglos versucht haben von der Zigarette loszukommen und c) Raucher, die explizit eine alternative Methode zum Rauchstopp nutzen wollen.
Vor diesem Hintergrund fand auf dem diesjährigen Internistenkongress DGIM in Wiesbaden eine Sitzung zum Thema "Gefäßprotektion - Was müssen Ärzte zu E-Zigaretten bzw. Tabakerhitzern wissen" statt. Nach einer Einführung in den Risikofaktor Rauchen wurde auf die Möglichkeiten der Raucherentwöhnung eingegangen. Erstaunlich ist, dass Deutschland im europäischen Vergleich bei der Anzahl von Rauchern, die aufhören wollen, einen der letzten Plätze belegt. So besagt die EUREST-Studie von Hummel et al. aus dem Jahre 2018, dass in den letzten 12 Monaten in Deutschland nur 17% der Raucher versucht haben, das Rauchen aufzugeben. In England waren es in diesem Zeitraum 46% und in den Niederlanden 32%. Diese Zahlen zeigen eindrücklich, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit dem Thema Raucherentwöhnung ist. Wenn man dieses Ziel nicht erreicht, ist eine Risikoreduktion mithilfe von E-Zigaretten bzw. Tabakerhitzern zu empfehlen. So empfiehlt der Expert Consensus Decision Pathway on Tobacco Cessation Treatmentdes American College of Cardiology (2018): "E-Zigaretten haben das Potenzial für einen großen öffentlichen Nutzen, wenn sie Rauchern helfen, mit dem Rauchen von Zigaretten aufzuhören, insbesondere Rauchern, die nicht gewillt sind oder in der Lage sind, mit aktuellen Behandlungen das Rauchen zu beenden." Deutschen Ärzten, die Gefäßpatienten behandeln, fehlt es allerdings an grundlegenden Kenntnissen zur Vielfalt der angebotenen E-Zigaretten und Tabakerhitzer, ihrer Anwendung und ihrer inzwischen nachgewiesenen Schadstoffreduktion. Daher ist eine offene und fachliche Diskussion unter Kardiologen, Angiologen und Gefäßchirurgen zum Thema Rauchstopp und Risikoreduktion notwendig.
Das Medical Data Institute hatte die Gelegenheit, mit zwei der Referenten, dem Angiologen Prof. Knut Kröger und dem Gefäßchirurgen Prof. Martin Storck, nach dem Vortrag zu sprechen.
MDI: Die Veranstaltung trägt den Titel "Gefäßprotektion", und Sie haben verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung der Gefäßsituation des Patienten dargestellt.
Prof. Kröger: Gefäßerkrankungen sind unverändert die Todesursache Nummer Eins in Deutschland. Daher ist die Notwendigkeit für eine effektive Gefäßprotektion groß. Außerdem gibt es auf einigen Gebieten neue Ansätze.
MDI: In der anschließenden Diskussion wurden von den anwesenden Ärzten fast ausschließlich Fragen zum Thema Raucherentwöhnung gestellt. Wie erklären Sie sich das?
Prof. Storck: Hier spiegelt sich gewissermaßen die Erfolglosigkeit der Kollegen wieder. Nach mehreren erfolglosen Rauchstoppversuchen mit klassischen Therapiemustern sind in der Regel sowohl der Patient wie auch der Arzt frustriert. Hier bedarf es neuer, komplementärer Ansätze.
MDI: Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang E-Zigarette und Tabakerhitzer?
Prof. Storck: Beide können in diesen Fällen unterstützend eingesetzt werden und scheinen dabei im Vergleich zu traditionellen Nikotinersatztherapien sogar wirksamer darin zu sein, Raucher von Zigaretten weg zu bringen, wie eine Studie zu E-Zigaretten kürzlich zeigte.
MDI: Was könnten die Gründe hierfür sein?
Prof. Kröger: Nun, bei der E-Zigarette und beim Tabakerhitzer bleibt der Habitus des Zigaretterauchens ja grundsätzlich erhalten. Beim Nikotinpflaster hingegen fallen sowohl die Art der Nikotinaufnahme als auch die geliebte Rauchpause mit den Kollegen oder Freunden weg. Im direkten Vergleich zwischen E-Zigarette und Tabakerhitzer ist letzterer geschmacklich näher am ursprünglichen Zigaretterauchen, da er Tabak enthält. Der Unterschied zur herkömmlichen Zigarette besteht jedoch darin, daß der Tabak nicht wie früher verbrannt sondern nur erhitzt wird, wodurch erheblich weniger Schadstoffe entstehen. Allerdings gibt es nach wie vor viele Gegner dieser neuen Produkte, sowohl in der Ärzteschaft wie auch in der Politik.
MDI: Welche Argumente werden von den Gegnern der E-Zigarette angeführt?
Prof. Kröger: Im gesundheitlichen Bereich natürlich das Fehlen von Langzeitstudien und im Bereich Jugendschutz wird befürchtet, die E-Zigarette sei eine Einstiegsdroge für Jugendliche.
MDI: Wie beurteilen Sie diese Befürchtungen?
Prof. Kröger: Langzeitstudien fehlen in der Tat, andererseits haben unabhängige Stellen wie FDA und BfR den stark reduzierten Schadstoffgehalt der neuen Produkte bereits bestätigt. Die eigentliche Frage lautet daher, ob angesichts dieser Erkenntnisse von Rauchern verlangt werden kann, auf 10-20 Jahre Epidemiologie zu warten. Mit Blick auf den Jugendschutz liegen inzwischen Untersuchungen vor, welche die Befürchtung, das E-Zigaretten als Einstieg zum Zigarettenrauchen dienen könnten, nicht bestätigen.
MDI: Ihr Tipp an Ihre ärztlichen Kollegen und an die Politik?
Prof. Storck: Wir Ärzte müssen den Rauchern helfen, von den klassischen Zigaretten weg zu kommen. Das oberste Ziel ist und bleibt hierbei ein völliger Rauchstopp. Dieser wird jedoch von vielen Rauchern nicht erreicht. Der Arzt sollte in diesen Fällen in der Lage sein, seinen Patienten sachgerecht über risikoreduzierte Alternativen wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer aufzuklären. Politisch werden aktuell wieder die Bereiche Besteuerung und Werbeverbot diskutiert. Hier sollte sich die Regulierung der neuartigen Produkte an deren Gefährdungspotential im Vergleich zur klassischen Zigarette orientieren. In anderen Ländern hat dieses Vorgehen bereits dazu geführt, das viele Raucher auf weniger schädliche Alternativen umgestiegen sind. Und weniger Raucher, darum geht es ja letztendlich.
Quellen zum Thema:
Hummel et al., Quitting activity and use of cessation assistance reported by smokers in eight European countries: Findings from the EUREST-PLUS ITC Europe Surveys. Tob. Induc. Dis. 2018;16(Suppl 2):A6.
Rajat et al., 2018 ACC Expert Consensus Decision Pathway on Tobacco Cessation Treatment. A Report of the American College of Cardiology Task Force on Clinical Expert Consensus Documents JACC 2018; 72:3333-3337. DOI: 10.1016/j.jacc.2018.10.027
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