FZ: Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (Freitagausgabe 27. 5. 2011)
Tadics hoher Einsatz
zur Verhaftung von Mladic
Fulda (ots)
Das Bild hat sich in das Gedächtnis der Welt eingebrannt: General Ratko Mladic prostet einem etwas verdattert wirkenden holländischen Blauhelm-Kommandeur zu - während zur gleichen Zeit Mladics Truppen ein Massaker an 8000 bosnischen Männern in der vermeintlichen UN-Schutzzone vorbereiten. Der Schnappschuss aus dem Jahr 1995 ist gleich aus zwei Gründen zu einem zeitgeschichtlichen Dokument geworden - und zur bleibenden Mahnung: Er steht zum einen für die Ungeheuerlichkeit, dass mitten im scheinbar zivilisierten Europa ein Völkermord stattfindet - und einer der Verantwortlichen dazu noch feist in die Kamera grinst. Das Foto steht aber auch für das völlige Versagen der internationalen Gemeinschaft, die den Bosniern lauthals Schutz versprach - und dann den Schwanz einkniff. Nun ist der "Schlächter von Srebrenica" gefasst. Nach mehr als 15 Jahren, in denen er - ähnlich wie bis 2008 sein verbrecherischer Kampfgenosse Radovan Karadzic - offenbar ohne ständige Angst vor den serbischen Behörden ein zurückgezogenes Rentnerleben führen konnte. Doch jetzt hat die Regierung in Belgrad mutig die Reißleine gezogen - der jahrelange Druck aus Brüssel und das Lockmittel EU-Mitgliedschaft haben wohl doch Wirkung gezeigt. Dabei geht Serbiens Präsident Boris Tadic ein erhebliches Risiko ein: Denn ginge es nach der Mehrheit der serbischen Bevölkerung, wäre ihr "Kriegsheld" Mladic wohl bis zum Ende seines Lebens unbehelligt geblieben. Nun muss sich Tadics hoher Einsatz rasch auszahlen - sonst ist er innenpolitisch erledigt. Die "Gegenleistung EU-Beitritt", die er gestern forsch einforderte, dürfte sich allerdings hinziehen. Denn wenn die EU nicht will (siehe Türkei), ist sie sehr geschickt darin, immer neue Hürden für einen Beitritt aufzurichten; wenn man sich in Brüssel dagegen einig ist, blickt man sehr großzügig über die Unzulänglichkeiten von Beitrittskandidaten (siehe Bulgarien und Rumänien) hinweg. Angesichts der verzwickten Konstellationen auf dem Balkan dürfte auf Serbien eher der türkische Weg zukommen. Wer aber denkt, dass Mladic, Karadzic & Co. jetzt rasch für ihre Taten verurteilt werden, der dürfte auf dem Holzweg sein. Die Mühlen in Den Haag mahlen unglaublich langsam - manchmal wird man den Eindruck nicht los, dass die Anklagevertreter vor allem bemüht sind, sich selbst nicht allzu bald arbeitslos zu machen. Gleichzeitig wird das Tribunal von den Verteidigern mit Beschwerden und Beweisanträgen zugeschüttet. Im Fall von Slobodan Milosevic führte das immerhin dazu, dass der Ex-Präsident öffentlichkeitswirksam seine Tiraden gegen die westliche Welt loslassen konnte - bevor er ohne Verurteilung in der U-Haft in Den Haag starb. Es wäre ein verheerendes Signal, wenn auch gegen Mladic und Karadzic kein Urteil fiele. Beinahe ebenso wichtig wäre es allerdings auch, wenn die UN und die Europäer endlich den Mumm aufbrächten, ihre eigene Rolle bei der Schande von Srebrenica durch eine unabhängige Kommission durchleuchten zu lassen.
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