FZ: "Reinigendes Gewitter nötig"
Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (Freitagausgabe, 27.1. 2012´)
zur Einsetzung des Neonazi-Untersuchungsausschusses
Fulda (ots)
Ein Untersuchungsausschuss, der in großer Einmütigkeit von allen Parteien im Parlament eingesetzt wird - kann das gut gehen? Schließlich ist ein solcher Ausschuss das klassische Instrument der Opposition, um der Regierung an den Karren zu fahren, vermeintliche oder tatsächliche Missstände aufzudecken oder zurückliegende Skandale aufzuarbeiten - und natürlich auch entsprechend politisch auszuschlachten. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses reicht deshalb die Zustimmung von einem Viertel der Bundestagsmitglieder. Wenn nun alle Abgeordneten zustimmen, heißt das etwa, es gebe nichts aufzudecken, weil alle Parteien ein reines Gewissen haben?
Keineswegs. Eher könnte es so sein, dass Opposition und Regierung jeweils darauf lauern, sich gegenseitig Fehler und Versäumnisse in der Bekämpfung des Neonazi-Terrors nachweisen zu können. Grund dafür hätten sie leider genug. Denn in dieser Frage haben sich über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte hinweg Regierungen aller Farbkombinationen und natürlich auch die von ihnen beaufsichtigten Behörden nicht mit Ruhm bekleckert. Das reicht von der rot-grünen Bundesregierung unter Schröder, in deren Amtszeit die meisten der Neonazi-Morde fielen, bis hin zur CSU, die allem Anschein nach schon nach dem verheerenden Oktoberfest-Attentat 1980 nicht mit der nötigen Konsequenz in der rechten Szene nach weiteren Hintermännern ermitteln ließ.
Doch mit gegenseitigen Schuldzuweisungen ist es bei weitem nicht getan. Wenn die beiden Ausschüsse im Bund und in Thüringen ihre Arbeit ernst nehmen, wenn sie öffentlich tagen, uneingeschränkt Einsicht in Akten erhalten und jenseits von Parteiengezänk die Aufklärung vorantreiben, dann kann von ihnen die Wirkung eines reinigenden Gewitters ausgehen; im Idealfall durchleuchten sie schonungslos die haarsträubenden Pannen und Fehlschlüsse von Verfassungsschützern und Kriminalämtern - und können so auch für künftige Fahndungen eine wertvolle Hilfe sein. Das sind alle Beteiligten nicht nur der Öffentlichkeit schuldig, sondern vor allem den Angehörigen der Opfer jener beispiellosen Mordserie.
Dass sich auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der rechtsterroristischen Gefahr etwas ändern muss, steht außer Zweifel - ist aber nicht die erste Aufgabe eines Untersuchungsausschusses. Es reicht, wenn er sich auf die vielen Ungereimtheiten der Ermittlungsarbeit konzentriert. Da wird er genug zu tun haben - und kann zugleich Druck auf den sächsischen Landtag ausüben, der sich bezeichnenderweise noch gegen die Einsetzung eines entsprechenden Gremiums sträubt.
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