FZ: Lahmes Deutschland Kommentar der Fuldaer Zeitung zum Koalitionsgipfel im Kanzleramt
Fulda (ots)
An Selbstüberschätzung mangelt es dieser Regierung wahrlich nicht. Da heißt es nach dem gestrigen Koalitionsgipfel aus den Reihen von Union und FDP, alle Seiten sähen "gute Chancen für eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb nach 2013". Dabei waren die Parteispitzen augenscheinlich auseinander gegangen, ohne sich in wichtigen Streitpunkten auch nur einen Mini-Schritt aufeinander zuzubewegen. So wie einst Helmut Kohl Probleme einfach aussaß, ist Merkel, Seehofer und Rösler auf dem letzten Stück der Legislaturperiode "die gute und konstruktive Atmosphäre" offenbar wichtiger als Entscheidungen in zentralen Fragen. Dass sich das Trio trennte, ohne den Bürgern etwas über die Ergebnisse des Treffens mitzuteilen, spricht Bände über die Tragweite der Beschlüsse, die da in drei Stunden gefasst wurden. Der Wähler wird dem Land hoffentlich eine Fortsetzung dieses unpassenden Bündnisses ersparen.
Von den ganz großen, dringend nötigen Reformen im Gesundheitswesen oder im Steuersystem redet schon lange keiner mehr. Vor der Wahl wieder einmal belogen worden zu sein - damit hat man sich abgefunden. Doch nicht einmal bei den Problemen, die kurzfristig gelöst werden müssen, finden Union und FDP zueinander. Bei der Energiewende ist Vieles ungeklärt; bei der Vorratsdatenspeicherung - verhärtete Fronten, jetzt wird Deutschland sogar von der EU verklagt; die bei gleichzeitiger Entlastung an anderer Stelle sinnvolle Pkw-Maut wird ideologisch missbraucht und zerredet; gestritten wird in der bürgerlichen Koalition ferner über ursprünglich linke Themen wie Mindestlohn, Frauenquote und Finanztransaktionssteuer. Klärungsbedarf gibt es reichlich, immerhin hatte die Regierung im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sich ihre führenden Politiker zu Beginn jeder Sitzungswoche zusammensetzen. Doch auch das ist Schnee von gestern.
Na gut, ein Ergebnis des gestrigen Treffens im Kanzleramt gibt es zu vermelden: Die Liberalen geben ihren Widerstand gegen das Betreuungsgeld auf, weil die Union der FDP-Forderung nach Einführung einer Förderung der privaten Pflegevorsorge nachgibt. Eine unsinnige Maßnahme kommt, weil eine genauso wenig zielführende beschlossen wird. Besteht die Berliner Politik nur noch aus Kuhhandel? Vorwärts geht es so nicht mehr. Lahmes Deutschland!
Bernd Loskant
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