FZ: Wir brauchen endlich wieder Mut zur Wahrheit Kommentar der Fuldaer Zeitung (9.1.16) zu den Übergriffen auf Frauen in Köln
Fulda (ots)
Kölns Polizeichef muss gehen. Das ist die logische Konsequenz aus einer Serie von Pannen und Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Vorgängen in der Silvesternacht, für die der oberste Ordnungshüter der Stadt die Verantwortung trägt. Wenn nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen im Polizeibericht des Neujahrsmorgens von friedlichen Feiern und einer entspannten Einsatzlage die Rede ist, wenn beteiligte Polizisten dann Tage später öffentlich dem offiziellen Einsatzbericht widersprechen, wenn gestern eine entnervte Oberbürgermeisterin dem Polizeichef das Vertrauen entzieht und über die Medien beklagt, nur scheibchenweise informiert zu werden, dann muss der Verantwortliche aus dem Amt entfernt werden. Doch geschlossen ist das traurige Kapitel Köln damit noch lange nicht: Die nächsten Wochen und Monate werden hoffentlich Licht ins Dunkel dieser tiefschwarzen Silvesternacht bringen. Dabei liegt eine Frage wie ein riesiger Schatten über dem ganzen Land: Warum tun wir uns mit der Wahrheit so schwer, wenn es um Flüchtlinge geht? Wenn selbst der oberste Polizeichef einer deutschen Millionenstadt Probleme damit hat, Ross und Reiter zu nennen sowie die Öffentlichkeit und die Stadtoberen schonungslos über die Vorgänge auf der Domplatte zu informieren, dann läuft etwas gewaltig schief in diesem Land. Und damit auch das klar ist: Wenn eine Oberbürgermeisterin als Konsequenz aus den Übergriffen Frauen auffordert, eine "Armlänge" Abstand zu Männern zu halten, dann ist das die Bankrotterklärung des Rechtsstaates.
Es ist schlimm, nicht nur in Köln: Es wird verharmlost, verschwiegen, relativiert, umgedeutet - immer mit erhobenem Zeigefinger und der Mahnung, rechte Rattenfänger könnten von Meldungen über kriminelle Ausländer profitieren. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Wer etwas vertuscht, der macht sich erst recht verdächtig. Wer die Wahrheit verschweigt oder gar lügt, dem glaubt man nicht mehr. Genau das schürt Ressentiments, macht den Menschen noch mehr Angst vor den vielen Fremden im Land. Das Schönreden der Situation in Merkels "Wir schaffen das"-Jargon hat bereits dazu geführt, dass sich die Populisten von Pegida und AfD wachsenden Zulaufs erfreuen.
Dabei ist es nicht nur die Politik, die in dieser Hinsicht eine unrühmliche Rolle spielt. Dass das öffentlich-rechtliche ZDF die Vorgänge von Köln in den "heute"-Nachrichten zu einem Zeitpunkt verschwieg, als schon genug Fakten auf dem Tisch lagen, zeigt, wie weit sich die Angst davor, als Rassist zu gelten, bereits in die Köpfe der Meinungsführer gebrannt hat. Auch Nachrichtenagenturen, Quelle für fast alle Tageszeitungen in Deutschland, werden zunehmend hypersensibel, wenn es um Straftaten von Ausländern geht. Bloß nicht dem Vorwurf aussetzen, man mache sich mitschuldig an einer Anti-Flüchtlings-Stimmung im Land. Der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich spricht in diesem Zusammenhang von einem "Schweigekartell" und erhebt vor allem gegen Teile der Medien den Vorwurf, dass es "Nachrichtensperren" gebe, sobald es um Vorwürfe gegen Ausländer gehe. Widersprechen mag man ihm nicht.
Was passieren kann, wenn man dort, wo man hinschauen müsste, wegsieht, das zeigt exemplarisch der Fall Rotherham. Im Sommer 2014 wurde bekannt, dass in der nordenglischen Stadt zwischen 1997 und 2013 mehr als 1400 Kinder, vor allem Mädchen, Opfer sexueller Gewalt wurden. Die Täter, die bandenmäßig vorgingen und Mädchen vergewaltigten, waren meist pakistanische Zuwanderer. Die Behörden hatten zahlreiche Hinweise, doch aus Furcht, als Rassisten zu gelten, ging man den Hinweisen nicht oder nur zögerlich nach.
So weit darf es nirgendwo kommen. Wir brauchen in diesem Land einen neuen Mut zur Wahrheit. Die zu uns Kommenden in ihrer Gesamtheit als arme Schutzsuchende zu betrachten, ist genauso falsch, wie sie kollektiv zu Tätern zu stempeln. Wir müssen uns endlich den Problemen stellen, die mit den Menschen ins Land kommen, und dürfen nicht länger ohnmächtig wegschauen. Wenn es Flüchtlinge waren, die an den Kölner Übergriffen beteiligt waren, dann hat der Staat seinen Bürgern gegenüber die Verpflichtung, das auch deutlich zu sagen - allein schon um die Diskussion in Gang zu bringen, wie man diese Zeitgenossen wieder los wird. Wenn es 1000 Links- oder Rechtsextreme wären, Schwule, Rocker oder Pegida-Demonstranten, die sich auf der Domplatte nicht an Recht und Gesetz hielten, dann würden diese Gruppen ja auch benannt.
Wir brauchen außerdem einen entspannteren Umgang mit Gesetzen: Wer sein Gastrecht so wie in Köln missbraucht, verwirkt auch den Schutz, den ihm die Genfer Konvention bietet. Eine Situation, wie wir sie derzeit haben, hatten die Väter der Konvention sicherlich niemals im Sinn. Es ist gut, dass die Debatte nun in Gang gekommen ist. Köln kann so auch eine Chance für Deutschland sein, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. / Bernd Loskant
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