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FZ: In unbekannten Gewässern Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (Donnerstagausgabe) zur Antrittsrede Frank-Walter Steinmeiers:

Fulda (ots)

Bei der Antrittsrede des neuen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier wurde deutlich, dass er noch immer als Außenminister denkt. Die Welt jenseits der deutschen Grenzen bedrückt und beschäftigt ihn mehr noch als die deutsche Gesellschaft, der er allerdings auch Ratschläge erteilt. Seine Mahnung an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die verbalen Aggressionen gegenüber Deutschland und der EU einzustellen, war ausgewogen, klar und unmissverständlich. Als Außenminister hätte er das nicht anders formuliert. Seine Mut-Predigt allerdings galt den Landsleuten, die, wie er, zutiefst verunsichert sind von dem, was zurzeit im "befreundeten" Ausland geschieht. In Diktaturen ist es keine Seltenheit, dass Psychopathen das Land regieren. Solange das in einem fernen Staat der Dritten Welt geschieht, fühlen wir zwar Empathie mit den Opfern, sind aber nur in Maßen beunruhigt. Jetzt ist das anders: Erdogan und ein großer Teil des türkischen Volkes gehen just jenen Weg, den er den Europäern vorwirft. Denn viele Reden, Aktionen und Aufmärsche im Land am Bosporus erinnern verteufelt an die Blut-und-Boden-Rhetorik und an das Vorgehen der Nazis. Wenn man dann noch an den US-Präsidenten denkt oder einen Blick auf die Entwicklung in Polen und Ungarn wirft, dann muss man Steinmeier beipflichten, wenn er feststellt: "Wir navigieren in unbekannten Gewässern." In der Tat lässt sich "eine neue Faszination des Autoritären" im In- und Ausland registrieren. Allerdings reicht Mut allein ganz offensichtlich nicht, um die stürmischen politischen Gewässer ohne Schaden zu durchqueren. Auch die klassische Diplomatie versagt bis jetzt. Während man zum Besuch von Donald Trump am besten einen Psychiater mitnimmt, könnte bei Erdogan der Stopp von Waffenlieferungen und das Einfrieren von EU-Geldern Wirkung zeigen. Entsprechende Konsequenzen hat es beim deutschen Waffenexport in die Türkei schon gegeben. Beim Kapitalfluss dürften Drohungen über diplomatische Kanäle in Ankara angekommen sein. Ob die Absage der Ministerauftritte in Deutschland darauf eine Reaktion ist, bleibt fraglich. Erdogans Wahlkampfteam könnte auch erkannt haben, dass er sich vielen Türken in Europa mit seinen Attacken entfremdet. Wie auch immer, der neue Bundespräsident darf jetzt in die Rolle von Odysseus schlüpfen: "Bleibe gelassen mein Herz, schon größere Frechheit ertrugest du!", hat Homer seinem Helden empfohlen.

Pressekontakt:

Fuldaer Zeitung
Volker Feuerstein
Telefon: 0661 280-301
volker.feuerstein@fuldaerzeitung.de

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